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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege
Autoren: Marina Mander
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Andrea, so ist die Geschichte viel, viel schöner.«
    Ich bin froh, dass Andrea mein Freund ist.

8
    Das Geld ist alle.
    Mama sagt, das Geld ist immer schneller alle, als man denkt. Das stimmt. Ich hätte daran denken und es vorhersehen müssen, die Geheimzahl der EC -Karte gleich suchen, aber ich habe es nicht gemacht, ich habe nicht daran gedacht. Jetzt muss ich diese Tür noch mal öffnen, die Zahl muss in der Schachtel mit Dokumenten in der untersten Kommodenschublade sein. Ich will nicht, aber ich muss es tun.
    Eine vernachlässigte Kleinigkeit hat alles ans Licht gebracht, die Wracks der Autos, die in den Fluss gestürzt sind, die biologisch nicht abbaubaren Plastiktüten, die an den Felsen hängen geblieben sind, die Schuhe der Vagabunden, die Mopeds, die am Ende eines Spiels von den Anhängern der gegnerischen Mannschaft in Brand gesteckt wurden.
    In den letzten Tagen hatte ich aufgehört, so viel Angst zu haben, als ob mein zweites Leben begonnen hätte, das erste auszulöschen; ein Seidenpapier, das dich alles, was darunterliegt, weniger deutlich sehen lässt, als würde das Leben von früher nach und nach eine Kindheitserinnerung, ein Gedanke, der dir durch den Kopf schwirrt, den du aber verjagen kannst, wenn du die Arme schwenkst.
    Aber Mama ist noch da drinnen.
    Ich will sie nicht sehen.
    Ich will den Gestank nicht riechen.
    Aber es geht nicht anders.
    Ich muss den Rekord des Nichtatmens brechen, ich muss mit meinem ganzen Selbst ins Luftanhalten gehen, mit allem, in meinen Körper rein, ich muss mich bis zum Arschloch vollsaugen.
    Ich muss mich auf die andere Seite drehen. Ich muss es aushalten. Ich darf nicht hinschauen.
    Ich balle die Fäuste so fest zusammen, dass die Knöchel durchsichtig werden wie Weingummis in einer Tüte, die aneinanderkleben, um bei den Überfällen des Feindes davonzukommen.
    Ich muss einkaufen gehen.
    Der Supermarkt ist voller Leute.
    Ich mag die randvollen Einkaufswagen, die man nur noch mit Mühe lenken kann, und wenn du mit einem anderen Wagen zusammenstößt, bitten dich die Leute um Entschuldigung, weil du mit einem so vollen Wagen einfach Vorfahrt haben musst. Ich bleibe auch gerne stehen und inspiziere die Regale, vor allem, ob es etwas Neues bei den Sachen gibt, die oben hängen, was normalerweise keine Lebensmittel sind, sondern all die Dinge, die du zu Hause suchst und nie findest, Scheren, Tesafilmrollen, buntes Papier für Päckchen, Tüten jeder Art, Ohrstöpsel, Bänder, Pflaster, Pinzetten, Spiele für Katzen, kleine leuchtende Kugeln. Es würde mir gefallen, alles kaufen zu können, was dort hängt, man weiß nie, für alle Fälle.
    Als ich mit Mama in diesem Supermarkt war, war da auch dieser komische Papa dabei, den sie mitgeschleppt hatte, um so zu tun, als wären wir eine normale Familie, war das ein Scheiß.
    Â»Kann ich den haben?«
    Â»Wofür brauchst du den?«
    Das Gleiche bei dem Tacker und allen Schreibwaren.
    Â»Was machst du damit?«
    Das Gleiche bei einem Mäuschen, das sich im Kreis dreht, wenn man es am Schwanz aufzieht.
    Â»Blu braucht keine falschen Mäuse, er ist schon selbst Maus genug, meinst du nicht?«
    Als ob sie nicht wüsste, dass man nicht alles braucht, was man braucht.
    Den Typ interessierte, abgesehen von Mama, nichts Schönes, weder die Wagen mit schwankenden Pyramiden aus Kartons noch die Familienpackungen prähistorischer Tiere. Ich frage mich, ob dieser Typ je zu irgendwas nütze war, wahrscheinlich nicht, denn er ist in der Versenkung verschwunden, in der allertiefsten Versenkung, zusammen mit dem Pterodaktylus und dem Stegosaurus. Irgendwann war er nicht mehr da und wurde nie wieder erwähnt.
    Jetzt kann ich keinen Einkaufswagen nehmen, ich greife zu einem gelben Korb. Ich nehme Trockenfutter und Schälchen mit Futter für Blu, Brioches, gefüllte Teigtaschen für mich, Chips, Pizzastückchen, Milch, Eis und die Kaugummis, mit denen man Blasen machen kann. Ich stelle mich in die Schlange von denen mit einem Korb, das ist eine spezielle Reihe, anders als die mit den Einkaufswagen, wir haben weniger Sachen.
    Hinter mir ist ein Mann mit einem Korb voller Flaschenbier, das genügt ihm, das sieht man ihm schon an. Vor mir ist eine junge Frau mit Tomaten und Mozzarella, sie ist klapperdürr, eine von denen, die essen und sich dann den Finger in den Mund stecken, um nicht zuzunehmen, keine Ahnung, was ihr daran
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