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Mein Tutor

Mein Tutor

Titel: Mein Tutor
Autoren: Lindsay Gordon
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Katea und ich unterwegs waren, blieb Todd zu Hause und wartete angeblich auf das Eintreffen des neuen Sofas. Doch mir war klar, dass er auf diese Weise seinem Albtraum davon, wie man ein Wochenende verbringen konnte, aus dem Weg ging: »Umgeben vom Müll anderer Leute? Nein, danke, das ist nichts für mich. Da schaue ich lieber in den Ecken der Wohnung nach, ob die Putzfrau auch nichts übersehen hat.«
    Das hatte er in sarkastischem Tonfall gesagt, aber ein Teil von mir war sich sicher, dass er tatsächlich nachsehen würde, ob sie daran gedacht hatte, die Badezimmerschubladen ebenso wie die Spiegel zu reinigen.
    Todd konnte einfach nicht verstehen – oder nachvollziehen –, dass mich das Stöbern anmachte. Der Gedanke, ein Juwel unter dem ganzen Gerümpel zu finden, ließ mein Herz schneller schlagen. Zumindest sagte ich mir das, als ich den Fremden anstarrte.
    »Sieh mal da rüber«, sagte ich an Katea gewandt.
    »Gefällt dir die Lampe?«
    »Nein, der Mann.«
    »Ich mag die Lampe«, erwiderte sie und bewunderte den schlanken, wie ein Schwan geformten Fuß, auf dem ein runder, melonenartiger Schirm wie eine einsame Weihnachtskugel thronte. Katea teilte meine Vorliebe für alte Dinge – wir hatten uns vor Jahren auf einer Tauschbörse kennengelernt –, daher war es immer sehr gefährlich, zusammen mit ihr loszuziehen. Unter Gleichgesinnten konnte man sich rasch in die Quere kommen. Es sind schon Freundschaften zu Bruch gegangen im Kampf um den perfekten Sessel. Glücklicherweise unterschied sich unser Geschmack jedoch sehr.
    »Aber das ist der Mann, den ich im Möbelladen gesehen habe. Erinnerst du dich? Dem das Sofa aus den 1960ern gefiel, während ich am liebsten das aus Samt mit dem Leopardenmuster gekauft hätte.«
    »Wie in aller Welt konntest du dir so eine Couch nur durch die Lappen gehen lassen?«
    »Sie gefiel Todd nicht.«
    »Er steht nicht so auf Fell«, meinte sie grinsend. »Er hat dich auch dazu gezwungen, deinen Mantel aufzugeben, habe ich nicht recht?«
    »Es war ja nicht so, dass er mich dazu gezwungen hätte …« Ich hielt inne und dachte an den dreiviertellangen Mantel mit den Obsidianknöpfen. Todd hatte beiläufig eine Bemerkung fallen lassen, dass die Jacke aussah wie etwas, was seine Großmutter getragen und was nach Mottenpulver gestunken hatte, und daraufhin hatte ich den Mantel erst einmal in einer Kiste in der hintersten Ecke gelagert.
    Katea legte den Kopf auf die Seite und flüsterte: »Todd würde in so einer Jeans nie im Leben auf die Straße gehen.«
    Sie hatte recht. Todds 300-Dollar-Jeans überlebten nur, bis sie erste Abnutzungserscheinungen aufwiesen. Manchmal warf er sie sogar schon weg, wenn er glaubte, dass sie anfingen zu verbleichen oder eine winzige Farbabweichung aufwiesen, die außer ihm niemand sehen konnte. Die Hose des Fremden war an den Knien und am Hintern schon stark abgetragen, aber sie passte perfekt zu seinem gebräunten Körper. Ich hätte gern einen ganzen Nachmittag den Platz mit dieser Jeans getauscht und mich um den Körper dieses Mannes gewickelt, ihn Haut an Haut berührt.
    Warum brachte mich dieser Mann dazu, mit leblosen Objekten tauschen zu wollen – zuerst träumte ich davon, in die Haut des Kunstledersofas zu schlüpfen, und nun wollte ich mich in eine Jeans verwandeln?
    Er sah sich in einem Verschlag in etwa drei Metern Entfernung einige Dinge an, aufgerollte Silberketten, Seile. Ich sah, wie seine Hand ein schweres Schloss berührte, und bemerkte, dass er keinen Ring trug.
    Diese Feststellung brachte mich augenblicklich zurück zu Todd, und meine Wangen brannten vor Scham. Wir waren jetzt seit beinahe einem Jahr zusammen, und erst einen Monat zuvor hatte er mich gebeten, bei ihm einzuziehen – aus diesem Grund suchten wir gerade neue Möbel aus. Ich war ein wenig traurig, aus meiner Wohnung mit der Feuertreppe aus Metall vor den Fenstern, der schwarz-weiß gefliesten Küche und den Anspielungen an die 1940er, die man in den wenigsten Apartments finden konnte, auszuziehen. Vor allem, wenn man sie mit Todds glänzendem Apartmenthaus in der frisch aufpolierten Innenstadt von L.A. verglich.
    Ich wollte mir nicht eingestehen, dass mir die Architektur wichtiger war als die Aussicht auf mein bevorstehendes Eheglück. Wenn man so durch die Welt ging, dann standen die Chancen gut, dass man im Alter allein war und seinen Resopaltisch mit siebzehn Katzen teilte. Zumindest redete ich mir das ein, während ich versuchte, mich mit meiner neuen Umgebung
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