Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
interessiert immer viele: Ja, wir mussten in der Grundausbildung auch schießen, und: Das war für mich okay. So ein Gewehr zu tragen, ist dennoch nicht mein Ding. Lustig wurde es im Biwak. In dem durften wir nämlich eine Nacht draußen in der freien Natur verbringen. Ganz ohne Dusche oder Toilette. Für mich hieß das auch: Nix Haarkur, nix Schminke. Ich hatte ein echtes Problem mit meinen Haaren, die unter dem Helm unmöglich aussahen. Ich musste sie mir zu einem schäbigen Dutt hochbinden. Hilfe, sah ich verboten aus.
Mittwochabend haben wir uns immer schon riesig gefreut: Nur noch Donnerstag, dann dürfen wir nach Hause fahren. Freitagnachmittag ging es dann Richtung Heimat. Allerdings musste unser Zimmer vor der Abfahrt picobello gereinigt sein. Unsere Vorgesetzten haben sogar unter der Matratze nach Staub gesucht. In den Holzecken wurden sie meist fündig. Der Oberaufseher sagte dann immer: »Ich komme in drei Stunden wieder.« Hey, helle Freude bei uns, denn das bedeutete drei
Stunden später nach Hause kommen. Als ob man fürs Staubwischen so lange bräuchte. Ja, so war das bei der Grundausbildung, die wollten uns ordentlich drillen. Uns haben Männer ausgebildet, die waren selbst erst Anfang 20 und hatten natürlich ihren Spaß an uns »Frischlingen«. Ich glaube, die haben noch mal extra Gas gegeben, weil sie es den Weltmeisterinnen so richtig zeigen wollten.
Ich bin ein recht schussliger Mensch, und das kam zum Teil nicht so gut an. Zudem konnte ich meine Klappe nicht immer halten. Ich wurde von unserem Vorgesetzten ab und zu angeschrien und habe dann zurückgegiftet. Das hatte Konsequenzen. Nach so einer Aktion musste ich immer zum obersten Chef. Der hat mich deutlich ermahnt und na ja, irgendwie konnte ich mich durchwurschteln. Einmal musste ich 20 Liegestütze machen, weil ich den einen Knopf am Anzug nicht geschlossen hatte. Das hat mich vielleicht aufgeregt!
Nach den sechs Wochen war ich um eine Erfahrung reicher, aber erleben will ich diese Zeit ungern ein zweites Mal. Als ich noch in Duisburg spielte, war Warendorf meine Anlaufstation, bei meinem neuen Verein Turbine Potsdam muss ich jetzt in die Kaserne nach Berlin. Zum Lehrgang treffen sich aktuell etwa einmal im Monat alle Fußballerinnen der Sportfördergruppe, die in der Umgebung wohnen. Die Leitung übernimmt in der Regel Co-Trainerin Ulrike Ballweg. Insgesamt sind zwölf Mädels aus dem Nationalmannschaftsdunstkreis dabei. Es sollen aber noch mehr dazukommen. Ich habe kürzlich erst bis 2010 verlängert. Solange ich A-Nationalspielerin bin und Leistung bringe, kann ich meinen Vertrag mit der Bundeswehr immer wieder verlängern. Das letzte Wort aber hat Cheftrainerin Silvia Neid, sie muss die Unterschrift dafür geben, ob ein Vertrag verlängert wird oder nicht. Bei einem Formtief oder einer Verletzung lässt sie die Spielerin aber nicht gleich fallen.
Derzeit habe ich den Dienstgrad Hauptgefreite, könnte sogar Hauptfeldwebel werden. Sollte ich allerdings im Ausland spielen wollen, muss ich die Bundeswehr leider verlassen. Mein großes Ziel ist es, meine Karriere in den USA ausklingen
zu lassen. Die amerikanische Frauenfußball-Profiliga mit Ende 20, Anfang 30 – das wäre schon noch mal was. Deshalb werde ich den höchstmöglichen Dienstgrad wohl nicht erreichen.
Bundespräsident Horst Köhler empfängt uns nach dem WM-Titel 2007
Wenn ich mit der Frauenfußballmannschaft an einer sportlichen Ehrung teilnehme, muss ich volle Montur tragen. Wir haben da so einen gewöhnungsbedürftigen, wenig weiblichen Ausgehanzug. Dass ich damit auftrete, ist sozusagen auch eine Art Gegenleistung dafür, dass mich die Bundeswehr sponsert. Natürlich würde ich mich bei solchen Terminen lieber gerne
im kleinen Schwarzen präsentieren, aber das ist okay so, das bin ich der Bundeswehr schuldig. Allerdings war mir unser Auftritt 2007 beim Bundespräsidenten Horst Köhler schon ein bisschen peinlich. Wir Weltmeisterinnen wurden mit dem Silbernen Lorbeerblatt, der höchsten Auszeichnung im deutschen Sport, geehrt. Die anderen Nationalspielerinnen hatten alle so einen schönen Zweiteiler an, doch Simone Laudehr, Babett Peter, Kerstin Stegemann, Silke Rottenberg und ich mussten in unserem Bundeswehranzug antreten. Krawatte inklusive …
Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Die Sportfördergruppe ist ein Glücksfall für mich. Ich darf mich voll und ganz auf meinen Sport konzentrieren und muss dennoch keine Existenzängste haben. Die meisten
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