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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht
Autoren: Melanie Rose
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sanft zurück auf den Korridor, wo er mir bedeutete, Platz zu nehmen, und sich selbst auf die Kante des Stuhls daneben setzte.
    »Kann ich ihn sehen?« Ich sah ihn mit verängstigtem Blick an. »Wie schlimm ist es?«
    »Wir versuchen gerade, ihn zu stabilisieren, damit wir ihn operieren können.«
    Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Es lässt sich also behandeln? Hat er sich etwas gebrochen?«
    Dr.Shakirs Gesichtsausdruck wurde unendlich teilnahmsvoll. »Mrs.Richardson … Lauren, nicht wahr? Abgesehen von zahlreichen Schnittwunden an Kopf und Körper hat ihr Mann schwerwiegende Quetschverletzungen davongetragen, als er unter dem Lastwagen eingeklemmt war. Die Feuerwehr hat ihn so schnell wie möglich befreit, doch es gibt Komplikationen.«
    Ich spürte, wie mein Mund trocken wurde, und ich warf einen Blick an ihm vorbei dorthin, wo mir ein blauer Vorhang die Sicht durch das niedrige Fenster in die Unfallstation verwehrte. »Wird denn alles wieder gut?«
    »Das kann man in diesem Stadium schwer sagen. Bei Ihrem Mann liegt eine schwere Hypovolämie vor – ein vermindertes Blutvolumen also –, vermutlich infolge innerer Verletzungen. Er ist noch nicht lange hier, und wir versuchen gerade, uns einen Überblick zu verschaffen. Wir haben eine Kernspintomographie angeordnet, um die Ursache der Blutungen auszumachen, aber …«, Dr.Shakir mied meinen Blick, »… es besteht die Gefahr, dass eine Kombination aus Schock und Dehydration zu einem akuten Nierenversagen führen könnte.«
    Nicht willens, zu verstehen, was er sagte, sah ich ihn ausdruckslos an. Nachdem ich tief Luft geholt hatte, stellte ich die Frage erneut. »Sie meinen, Sie wissen nicht, wo er verletzt ist?«
    »Wir glauben, dass Mr.Richardson zahlreiche innere Verletzungen hat, doch erst wenn wir ihn stabilisiert haben, können wir eine Operation riskieren.«
    »Ist es sehr ernst?«
    »Ihr Mann kämpft um sein Leben.«
    Mein ganzer Körper schien in sich zusammenzufallen. Einen Augenblick lang wurde mir schwummrig, und dann hob ich den Kopf und sah dem Arzt in die Augen. »Kann ich zu ihm?«
    Dr.Shakir erhob sich und winkte mich in die Unfallstation zurück. Als ich auf das Bett zuging, traten die anderen Krankenschwestern und Ärzte zurück, und ich konnte Grant endlich sehen, obwohl ich ihn kaum erkannte, so umgeben, wie er von Schläuchen, Drähten und Kathetern war. Man hatte ihm den Kopf verbunden, und ich fragte mich, wie schlimm die Schnittwunden und Quetschungen wirklich waren.
    »Verglichen mit seinen inneren Verletzungen«, meinte Dr.Shakir, der an meiner Seite stand und meine Gedanken gelesen zu haben schien, »sind seine Kopfwunden nebensächlich.«
    »Kann er mich hören?« Ich trat näher an das Bett und blickte auf diesen Mann hinab, den ich erst seit so kurzer Zeit kannte und der dennoch solch eine wichtige Rolle in meinem Leben als Lauren und in dem der Kinder spielte. Ich versuchte, nicht an meine geprellten Rippen und Grants Doppelspiel zu denken. Ich nahm seine Hände in meine, drückte sie sanft und dachte daran, dass er für mich dagewesen war, als ich jenes erste Mal im Krankenhaus das Bewusstsein wiedererlangt hatte.
    »Grant«, flüsterte ich, und beugte mich ganz nah zu ihm, damit er mich hören konnte. »Grant, du musst kämpfen. Die Kinder brauchen dich.«
    Mühsam öffnete Grant die Augen und blinzelte zu mir hinauf. »Lauren?«
    Seine Stimme war dünn und krächzend, als sei die Strapaze des Sprechens fast zu viel für ihn. Das Piepen der Maschinen hatte sich verstärkt, und die Ärzte scharten sich erneut um ihn.
    »Ich bin da, Grant.« Ich hielt noch immer seine Hand.
    »Wir haben einen erhöhten Kreatininwert«, berichtete eine der Krankenschwestern mit dringlicher Stimme. »Seine Nieren spielen nicht mehr mit.«
    Die Ärzte schoben mich weg, und ich trat zurück, beobachtete mit zitternden Händen, wie Grant nach Luft rang. Ich würde nun ebenfalls für ihn da sein, so lange er mich brauchte.
    Wieder öffnete er die Augen, und diesmal schien er mich klar anzusehen. Ich ging wieder näher zu ihm. »Kannst du mir verzeihen?«, fragte er.
    »Du hast getan, was du für richtig gehalten hast.« Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen, und zwinkerte sie weg.
    »Ich hätte den Kindern nie Schaden zugefügt.« Er sprach so leise, dass ich mich zu ihm hinunterbeugen musste, um ihn zu verstehen.
    »Das weiß ich, Grant. Du bist ein guter Vater, daran habe ich nie gezweifelt.«
    Er lächelte schwach, und
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