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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht
Autoren: Melanie Rose
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mich – mitten in einem Gewittersturm in den Downs – mit zwei verdreckten Hunden zusammendrängte?
    »Ist das Ihrer?«, brüllte ich und blickte auf den schwarzen Labrador, der nun verzückt um den Mann, der wohl Anfang dreißig sein musste, herumsprang.
    »Ja, sie ist mir weggelaufen. Danke, dass Sie sie aufgehalten haben.«
    Er schien seinen Weg nur ungern fortsetzen zu wollen, und ich überlegte krampfhaft, wie ich die Unterhaltung in Gang halten konnte, bekam den Mund aber einfach nicht auf. Hilflos sah ich zu, wie er seinen Hund an die Leine nahm, mich dankbar anlächelte und sich zum Gehen wandte.
    Das wär’s gewesen, ganz bestimmt, hätte es nicht wieder zu regnen begonnen: Riesige, schimmernde Tropfen, die wie kleine Kanonenkugeln niederprasselten und da, wo sie auf die trockene Erde fielen, dunkle Flecken bildeten. Der Unbekannte drehte sich um, schlug seinen Jackenkragen hoch und kam, den Kopf gegen den Gewitterregen gesenkt, zu mir zurück. Der Regenguss nahm nun an Heftigkeit zu, bis wir in keine Richtung mehr weiter als über eine Armeslänge hinaus blicken konnten. Es war, als stünde man unter einem Wasserfall.
    Wir blickten einander an, dieser Fremde und ich, und brachen in Gelächter aus.
    Er hatte ein bezauberndes Lachen, tief und kehlig, und obwohl ihm das kurze Haar am Kopf klebte und Wasser von der Nasenspitze tropfte, wusste ich auf der Stelle, dass er jemand Besonderes war.
    »Mein Wagen steht da drüben«, schrie er und deutete vage in eine Richtung. »Da wären wir im Trockenen. Laufen wir hin?«
    Ich nickte, und zu meiner großen Freude nahm er meine kalte, nasse Hand in seine und zog mich mit sich, die beiden Hunde mit eingezogenen Schwänzen im Gefolge.
    Ich konnte spüren, wie das Blut in meinen Adern pulsierte, und meine mit seinen verschlungenen Finger kribbelten in einer Art Ekstase, die dem Schmerz nicht unähnlich war.
    Fast hatten wir den Parkplatz erreicht, als erneut ein Blitz aufzuckte und die Wagenreihen im Nebel vor uns beleuchtete. Die Regentropfen schufen einen dunstigen aufwärtsstrebenden Sprühnebel, der auf seine Weise schön war, allerdings nicht so schön wie das Zusammengehörigkeitsgefühl, das ich gegenüber diesem Mann empfand, dessen tropfende Finger mir Löcher in die Handflächen brannten. Zwischen uns beiden knisterte es, wie ich es noch nie erlebt hatte und nicht einmal ansatzweise in Worte zu fassen vermochte.
    Der Regen trommelte auf unsere Rücken, stieß uns voran, unsere Schritte stampften in vollkommenem Gleichklang, und als wir uns atemlos dem Wagen näherten, blickte mir der attraktive Unbekannte in die Augen, und mich überlief ein Schauer der Erregung. Er ließ meine Hand einen Augenblick los, um den Autoschlüssel aus seiner Tasche zu holen, und in diesem Bruchteil einer Sekunde erhellte sich der Himmel mit einem krachenden Donnern. Wie in einer heftigen Explosion drang ein Blitzstrahl in meinen Körper.
    Als hätte jemand einen riesigen Schalter betätigt, verschwand die zuvor verspürte Euphorie. In der Schulter durchfuhr mich ein brennender Schmerz. Hingerissen beobachtete ich, wie sich die Augen des Fremden vor Entsetzen weiteten. Ich konnte den unerträglichen Gestank verbrannten Fleisches riechen und wusste unwillkürlich, dass es meines war. Einen kurzen Moment lang vermeinte ich, über mir zu schweben, mein irdischer Körper umflutet von einer roten Aura. Ich erschauerte, sank auf den nassen Boden, und dann war da nur noch Schwärze. Nichts.

[home]
    1
    W as für ein unheimlicher Traum. Ich schmiegte mich tiefer in mein Kissen und wollte zurück in den Schlaf finden und die Gefühle wieder einfangen, die ich für den gutaussehenden Unbekannten empfunden hatte. Ein fremdartiger Geruch weckte mich jedoch, zerrte an meinem Bewusstsein. Verschlafen schlug ich ein Auge auf und drehte mich zu meinem Wecker um. Er war nicht da. Stattdessen stand dort ein Resopal-Nachtkasten mit einem Wasserkrug aus Plastik und einem Becher mit Strohhalm darauf.
    Mühsam stützte ich mich auf einen Ellbogen und entdeckte dabei, dass auf meinem linken Handrücken mittels Heftpflaster eine Nadel befestigt war. Sie schien mit einem durchsichtigen Beutel verbunden, der eine Flüssigkeit enthielt, die über einen dünnen Schlauch in meine Adern tropfte. Ich starrte ihn ein paar Sekunden an und blickte mich dann in dem kleinen, fensterlosen Raum um, an dessen Wand sich mehrere rhythmisch piepsende Monitore befanden. Als ich mit den Händen über das gestärkte
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