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Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
Autoren: Jan Weiler
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gefragt, ob ich bei irgendwelchen doofen Spielen mitmachen wolle. Ob ich mir ein Date mit Miley Cyrus wünschte (nein) oder lieber eines mit Cameron Diaz (schon eher) und ob ich alte Wendy-Hefte bräuchte (bestimmt nicht). Ich reagierte nie und ließ den Mahlstrom der Nebensächlichkeiten an mir vorüberziehen.
    Aber dann passierte die Sache mit Moritz. Er ist oder war – ganz genau weiß ich es nicht – der Freund unseres Pubertiers, und er gefiel Carla auch deshalb so gut, weil er voll süß emo war. Das bedeutet, dass er eine ganz gute Frisur trug, so ein bisschen Richtung Punk, aber natürlich nicht richtig, ein bisschen softer, eben emo. Wie der Sänger von Green Day. Damit kann man gut leben, finde ich. Manchmal sitzen sie in unserer Küche und verursachen eine Art Lochfraß im Kühlschrank.
    Damit könnte es allerdings vorbei sein, denn der arme Kerl hat einen großen Fehler gemacht. Vor einigen Tagen tauchte er in der Schule mit einer neuen Frisur auf, und zwar mit der des US-Teenystars Justin Bieber. Im Ergebnis führt dieser Look dazu, dass die armen Jungs ein Schleudertrauma bekommen, weil sie sich den Pony immer aus dem Gesicht schütteln müssen. Nachmittags fragte Liliane auf Facebook nach Meinungen zu Moritzens neuem Kopfputz. Carla kommentierte: «Sieht aus wie eine Klobürste aus Eichhörnchenfell.» Moritz kommentierte: «Dabei habe ich das nur für dich getan. Aber da habe ich wohl einen Fehler gemacht.» Ich postete unüberlegt: «Die größten Dummheiten werden aus Liebe begangen.» Und Carla schrieb: «Tschüs, Papa.»
    Kurz darauf hatten alle ihre Bekannten ihre Verbindung zu mir gelöst. Ich rief einen Vater an, der bisher ebenfalls mit allen Kindern befreundet war. Der ist auch raus. Wir sind alle raus. Aufs Abstellgleis geschoben von Zwölfjährigen. Generationenvertrag gekündigt. Ritschratsch, so schnell kann’s gehen. Dabei hätte ich so gern gepostet, dass Moritz wieder zum Friseur muss. Justin Bieber hat nämlich eine neue Frisur! Und die ist echt endlaser.

Ein grandioses Kinoerlebnis
    Antonio Marcipane saß an unserem Küchentisch und hielt einen Vortrag über Silvio Berlusconi. Er hat dessen Regentschaft nie mit großer Leidenschaft verfolgt, fand ihn aber immer sehr attraktiv – für einen Mann. Wie viele seiner Landsleute störte Antonio sich nicht an Berlusconis Eskapaden, im Gegenteil: Er hielt ihn für ein epochales Beispiel altersloser Virilität. Die Sache mit dem jungen Ding im Mailänder Palazzo war dann aber selbst Antonio zu viel. Frauen für Sex zu bezahlen, das sei einfach: total unsportlich. Fand er.
    Sara wechselte das Thema, weil Nick mit Ohren wie Dumbo am Tisch saß und Müsli löffelte. Sie fragte in die Runde, ob jemand mit ihr und Nick ins Kino wolle. Es laufe «Gulliver» in 3D. Unser Sohn liebt 3D-Filme ungeachtet ihres Inhalts. Er würde sich auch die Seniorengymnastik im Dritten Programm angucken, wenn es die in 3D gäbe. Zu meiner Überraschung wollte Antonio auch mit. Also fuhren wir in ein riesiges Kino mit einer zwanzig Meter langen Süßwarentheke, an der sich Nick Popcorn bestellte. Dann kam Antonio an die Reihe:
    «Iste der Poppecorn gut?», fragte er die Verkäuferin.
    «Sehr gut», sagte die Verkäuferin. «Klein, medium, groß oder XXL?»
    «Was? Wer? Iech?»
    «Doch nicht du! Das Popcorn!», sagte ich. Die Werbung hatte bereits begonnen. Antonio wiegte den Kopf hin und her. Er konnte sich nicht entscheiden und ließ sich Musterpackungen zeigen. Dann bemühte er einen italienischen Abzählreim und landete natürlich bei der großen Tüte. Das hätte ich ihm auch vorher sagen können.
    «Süß oder salzig?», fragte die Verkäuferin.
    Antonio war überfordert. Nick und Sara gingen schon mal vor. Ich wartete. Für süß sprach, dass er mehr Lust darauf hatte, für salzig sprach die Uhrzeit. Es war 16 Uhr, und ab da isst man in seiner Heimat keine süßen Sachen mehr, außer man ist unter ein Meter fünfzig. Antonio ist ein Meter fünfundsechzig groß, und daher steht bei ihm ab dem späteren Nachmittag Salziges auf dem Programm. Der Kartenabreißer warf Ticketreste vor dem Kinosaal in einen Papierkorb und trat von einem Bein aufs andere.
    Antonio bat um ein süßes Popcorn, um es zu testen, dann um ein salziges, um zu vergleichen. Er kam mir vor, als stünde er am Olivenstand auf dem Wochenmarkt von Campobasso, wo alle Zeit haben und wo kein Film anfängt. Antonio entschied sich schließlich dafür, die untere Hälfte der Tüte mit salzigem und
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