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Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
Autoren: Jan Weiler
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die obere Hälfte mit süßem Popcorn füllen zu lassen.
    Ich hastete zum Saal, der Abreißer reichte mir eine 3D-Brille.
    «Was solle der da sein?»
    «Das ist eine Spezialbrille, mit der du räumlich sehen kannst.»
    «Das kanni seite balde siebzig Jahre schon.» Antonio wies die Brille brüsk zurück, zumal er sie auch hässlich fand. Ich wollte darüber nicht mehr diskutieren. Ich wollte ins Kino.
    Als wir endlich saßen und Sara mir die ersten Minuten des Films erzählt hatte, geriet Gulliver in einen riesigen Strudel und landete in Liliput. Ich entspannte mich allmählich. Nach etwa 25 Minuten stupste Antonio mich an.
    «He», raunte er. Dieses Kino sei nicht gut, denn das Bild auf der Leinwand sei total unscharf. Ich nahm meine 3D-Brille ab und schob sie ihm auf die Nase. Antonio machte «Ohh» und fing augenblicklich an zu lachen. Dann griff er tief in die Popcorntüte, raschelte darin herum und versank in den Film.

    Ich ging raus und suchte nach dem Mann mit den Brillen, aber da war niemand. Also kaufte ich mir eine kleine Tüte Popcorn und setzte mich auf eine Bank vor das Kino. Eine Stunde später kam meine Familie raus, und Sara wunderte sich darüber, dass ich mittendrin gegangen sei. So übel sei der Film nicht gewesen. Und Antonio fügte hinzu, besonders die Effekte seien ganz phantastisch. Man brauche allerdings natürlich schon eine Spezialbrille dafür. Sonst habe das alles keinen Sinn.

Weiber-Diplomatie
    Sie und ich, eigentlich wir alle, sollten viel häufiger auf die Bundeskanzlerin hören. Seit Monaten predigt Angela Merkel: «Aussteigen ja, aber aussteigen mit Augenmaß.» Und was mache ich Blödian? Stolpere beim Verlassen der S-Bahn, weil ich nicht richtig hinsehe. Mein Koffer knallt auf den Bahnsteig, springt auf, und sämtliche Fahrgäste der S7 können sehen, was drin ist, nämlich Hemden, Socken, Unterhosen und regionale Spezialitäten, die ich auf meiner Reise geschenkt bekommen habe. Ich raffe mein Zeug zusammen, die Bahn fährt weiter – und mein Handy liegt im Gleisbett. Also klettere ich hinein, um es zu holen, mache mich dabei wahnsinnig schmutzig und biete den Leuten auf der anderen Bahnsteigseite ein erbärmliches Schauspiel, weil ich nun einmal nicht die Huberbuam bin und das Erklettern eines Bahnsteiges mühsam finde. Das Handy funktioniert wider Erwarten noch, sieht jedoch aus, als hätte Rainer Brüderle darauf eine Tarantella getanzt.
    Ich latsche völlig verdreckt und gedemütigt vom Bahnhof nach Hause. Meine Frau öffnet keineswegs mit den Worten: «Oh, Gatte, wie schön dich zu sehen! Ich habe fein gekocht, den Rotwein geöffnet und den Kamin mit Buchenscheiten beschickt.» Sie sagt stattdessen: «Wie siehst du denn aus? Und was machst du überhaupt hier?» Ich sage, dass ich in diesem Haus wohne, und sie erklärt, dass sie erst morgen mit mir gerechnet habe. Kleines Missverständnis. Rotwein verkorkt, Kamin kalt, Küche ebenso. Sara fügt hinzu, dass sie zudem verabredet sei, weil ich ja morgen habe nach Hause kommen wollen. Davon kann zwar überhaupt keine Rede sein, aber ich bin erschöpft. Und immer noch verärgert wegen meines Ausstiegs ohne Augenmaß. Immerhin tue ich Sara leid. Sie sagt: «Du kannst ja mitkommen!» Sie habe sich mit ein paar Freundinnen beim Italiener verabredet. «Ach nein, da störe ich doch nur», jammere ich, doch Sara will weder denen absagen, noch auf meine Gesellschaft verzichten.
    Auf der Hinfahrt instruiert sie mich, dass Diskretion bei ihren Freundinnen oberstes Gebot sei. Bedeutet: Man redet niemals über Anwesende. Und: Unangenehme Geschichten dürfen niemals auf einen selber zurückfallen. Man offenbare unter Frauen beispielsweise nicht, dass man von einem Diätmittel Durchfall bekommt, sondern: Eine Bekannte einer Nachbarin der Schwägerin von der Metzgerin hat ja Maleur de Kack von diesem Zeugs gekriegt. Habe man gehört.
    Und man bittet auch nicht um die Telefonnummer eines Fachmannes für erektile Dysfunktion, sondern frage ganz beiläufig, wie noch mal der nette Arzt hieß, der dem Mann von der Susanna so geholfen habe. Man habe den im Supermarkt gesehen und ihn grüßen wollen, sich dann aber nicht mehr an seinen Namen erinnert. Ich frage Sara, warum ihre Freundinnen nicht einfach ehrlich seien. Es sei doch unendlich anstrengend, so kompliziert zu kommunizieren. Aber Sara meint, das sei alles nur eine Frage der Übung.
    Bei Tisch halte ich mich zurück und werde dafür von den Frauen geduldet, die sich im weiblichen
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