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Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
Autoren: Jan Weiler
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Internets.
    Diese möchte sie nun mit dem eigenen Computer in Anspruch nehmen und setzte sich ein Sparziel, welches sie erstaunlich konsequent verfolgte. Sie bettelte Großeltern deutscher und italienischer Provenienz an und ging Babysitten, um Geld zu verdienen. Zuvor malte sie ein Werbeplakat mit abreißbaren Telefonnummern, auf dem sie die Dienste einer «zuverlässigen und freundlichen Zwölfjährigen» anpries. Ich fragte, ob sie demnach noch jemanden mitbringen würde, aber sie fand das nicht komisch und hängte den Schrieb in zwei Geschäften aus. Es riefen tatsächlich Menschen an und zwar auf meiner Büronummer. Carla hatte sie auf die Abrisse geschrieben, weil ich schließlich zu Hause und ihr Handy immer leer sei.
    Nach einigen stundenweisen Einsätzen folgte neulich der erste Babysitter-Samstagabend im Leben der zuverlässigen und freundlichen Zwölfjährigen. Die Eltern der dreijährigen Cheyenne Shakira wollten in ein Andrea-Berg-Konzert gehen oder in einen Swinger-Club, so genau weiß ich es nicht. Aber wer seinem Kind solche Namen gibt, treibt am Samstagabend die merkwürdigsten Sachen. Sie buchten Carla von halb sieben bis Mitternacht. Ich fuhr sie hin und dann schnell wieder nach Hause, um meine CDs zu sortieren. Irgendwer bringt da immer alles durcheinander.
    Gegen 21 Uhr klingelte das Telefon. Carla. Sie wisse nicht, was sie machen solle, weil dieses Monster sie seit über einer Stunde anbrülle und nicht einschliefe. Ich schlug ihr vor, Cheyenne Shakira zu ferberisieren. Bei der Ferber-Methode lässt man die Kinder schreien, stopft sich Klopapier in die Ohren und trinkt Branntwein, bis alle eingeschlafen sind oder die Polizei klingelt. Carla lehnte dies ab und bat mich, doch mal vorbeizukommen.
    Meine Tochter öffnete völlig entnervt die Tür. Sie versicherte mir, dass sie einträchtig einen schrecklichen Film für Kleinkinder angeschaut hätten. Danach gab es Abendessen, dann wurden Zähne geputzt und vorgelesen. Und nun das. Ich öffnete das Kinderzimmer, und Cheyenne Shakira lag wie ein Glutnest in ihrem Bettchen und brüllte. Sie sah aus wie Chucky, die Mörderpuppe. Ich sagte: «Huhu, wer will denn da gar nicht schlafen?» Da brüllte Cheyenne Shakira noch ein bisschen lauter und wurde noch ein bisschen röter. «Siehst du? Die ist verrückt», rief meine Tochter. «Das bekommen wir schon hin», sagte ich mit einer Zuversicht, deren Ursache ich in einer Plastiktüte dabeihatte. Ich sagte: «Cheyenne Shakira, ich werde dich jetzt bis zum Kragen mit Kinderschokolade vollstopfen. Dann bekommst du Gummibärchen und Fanta, und du kannst aufbleiben, so lange du willst.»
    «Das dürfen wir nicht», sagte die zuverlässige und freundliche Zwölfjährige.
    «Na und? Wir sind nicht ihre Erziehungsberechtigten. Wenn sie nicht wollen, dass Chucky Kinderschokolade bekommt, sollen sie zu Hause bleiben.»
    Dann gingen wir ins Wohnzimmer und aßen alles auf, was ich von der Tanke mitgebracht hatte. Cheyenne Shakira bekam einen Zuckerschock und tanzte Lambada. Gegen 23   :   40 Uhr fiel sie nach einem Lachflash in einen ohnmachtsähnlichen Tiefschlaf. Mission accomplished, würde George W. Bush sagen. Ich trug sie in ihr Zimmer. Dann haute ich ab und beobachtete das Haus, bis die Eltern heimkamen. Ich klingelte fünf Minuten später, um meine Tochter abzuholen. Cheyenne Shakiras Eltern waren ganz begeistert von Carla. Solches Lob hört man als Vater gern. Carla gab mir tatsächlich die Hälfte ihres Honorars ab. Nächste Woche wollen Cheyenne Shakiras Eltern zu Semino Rossi. Das wird toll!

Macht und Mütze
    Manchmal sitze ich am Schreibtisch, und die Gedanken machen sich selbständig. Ich oszilliere so ein bisschen herum, und dann kommen mir Fragen in den Sinn. Philosophische Fragen zum Leben und zum Überhaupt. Stundenlang grübele ich dann über diese Fragen nach, aber ich finde keine Antwort. Zum Beispiel zu diesem Thema hier: Irgendwann vor langer Zeit hat ja mal irgendein Typ die Milch entdeckt, nicht wahr? Und da fragt man sich doch: Was wollte der Typ von der Kuh? Man kommt nicht weiter, egal, wie lange man darüber nachbrütet.
    Wenn mir zu solchen weltbewegenden Problemen gar nichts einfällt, entspanne ich mich bei dem Gedanken, die Weltherrschaft an mich zu reißen.
    Wie es wohl wäre, wenn alleine ich Schönheitsideale vorschreiben, Minister mit einem Fingerschnipsen entlassen oder Ampelphasen im Berliner Berufsverkehr zu meinem Vergnügen manipulieren dürfte. Das wäre schön.
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