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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen
Autoren: Klaus Schädelin
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von den grauenhaften Proben, so von der Gründung Roms bis zum Luther.
    Der Wrigley vor der Türe aber schäumte inzwischen begreiflicherweise in einer wahren Höllenwut, so dass er sich bereits ausmalte, wie er den Zacharias martern wolle.
    Als wir uns (das heisst, der Eduard, der Wrigley und ich) in der Pause versammelten, um über die notwendige Rache zu beraten, da war er voll von den blutrünstigsten Plänen, denn ein Tierlein zum Fenster hinausschmeissen, auch dann, wenn es ihm nichts getan hatte, erfordere eine schwere Strafe, das ist ganz sonnenklar.
    Der Wrigley meinte, wir müssten den Zacharias und seine Kinder und Kindeskinder bis in das dritte und vierte Glied strafen. Dumm war bloss, dass der alte Lehmann weder Kinder noch Kindeskinder hatte; doch der Wrigley tröstete uns mit seiner Haushälterin, die zur Not als Ersatz genüge, und Schwierigkeiten bereitete eigentlich bloss die Frage des dritten und vierten Gliedes, bei denen es uns nicht ganz klar war, ob da Daumen, Hand, Arme oder Beine gemeint seien; aber das war ja schliesslich nur so eine Einzelheit.
    Nach einer Viertelstunde einigten wir uns auf einen Racheplan, welcher der Katzengemeinheit ziemlich ebenbürtig schien:
    An der Wandtafel prangte seit zwei Tagen, von Zachariassens Hand, ein wunderschöner Plan von Palästina mit farbiger Kreide, an dem er eine halbe Nacht gearbeitet hatte, und auf den er sehr stolz war, besonders noch, weil man für morgen oder übermorgen den Schul-
    Inspektor erwartete. Heute war Mittwoch, und am Nachmittag wollte der Wrigley mit uns in die Schule, um Palästina mit dem Schwamm auszulöschen, und er freute sich schon jetzt an des Lehrers Zorn und Galle.
    Um zwei Uhr warteten wir einander im Hof unten. Und dann gingen wir vorsichtig hinauf zum Klassenzimmer. Es ist etwas Komisches, ein leeres Schulhaus, so ganz still, wenn vom Morgen her noch das Gerüchlein, nicht aber der Lärm zurückgeblieben ist. Das Haus lief mir ganz kalt den Rücken hinunter: Es war sehr feierlich, wie in einer Kirche.
    Freilich, recht unheimlich wurde es erst, als wir vor unsere Türe kamen und aus dem Zimmer heraus einen schrecklich ungeheuren Ton vernahmen: «Chooh, chohhh, chohh» machte es drinnen in regelmässigen Abständen, und wir wagten nicht, hineinzugehen, weil es genau so tönte, wie ein Gespenst. Der Wrigley tastete nach der Türfalle , liess sie aber gleich wieder fahren, weil drinnen sich das «chohh, chohh» in ein «ächzg, äächzg» verwandelte, und es wurde noch unheimlicher.
    Der Eduard und ich wären zu gerne wieder abgeschlichen, aber da bückte sich der Wrigley zum Schlüsselloch, stierte eine Weile hindurch und fing dann an, ganz leise zu grinsen.
    Und jetzt öffnete er sachte, sachte die Tür — und drinnen sass Herr Zacharias Lehmann am Lehrerpult, vor sich einen Stoss Hefte, den Kopf vornübergeneigt und schnarchte, was das Zeug hielt. In seiner Hand war noch die Feder mit der roten Tinte, aber das schönste: Aus seinem Munde war das Gebiss herausgefallen und lag auf dem obersten Heft wie auf einem Teller.
    Ich wollte gleich wieder umkehren, aber der Wrigley hatte ein ganz fatales Lächeln auf seinem Gesicht, wie er es immer hat, wenn es etwas gibt, und er nahm mich am Rockzipfel und den Eduard am andern und schlich behutsam mit uns auf das Lehrerpult zu. Was teufels wollte das Kalb dort? Es wurde mir himmelangst, aber noch viel ängster, als der Wrigley das Gebiss behutsam zwischen dem Kopf des Zacharias und den Heften hervorangelte, um es im Sack verschwinden zu lassen.
    Mit Herzklopfen kamen wir hinaus, ohne dass der Alte erwacht wäre, schlossen die Türe hinter uns und machten uns flüssig. Drunten hatte der Wrigley einen fürchterlichen Ast vor Lachen. Zuerst drehten, wendeten und berochen wir das Gebiss, und dann fanden wir alle: Genau so etwas habe es gebraucht: Jetzt sei die Katze gerächt, und ein Gebiss sei noch besser als das dritte und vierte Glied, und das sei jetzt aber sehr gut gegangen, und wir möchten nur sehen, wie der Zacharias heute abend sein Brot esse, hahaha!
    Nach kurzem Kriegsrat gingen wir in den Dählhölzliwald und begruben das Gebiss in einer Schachtel, denn mit uns herum tragen konnten und wollten wir es nicht: Erstens war es grausig anzusehen, und zweitens hätte man uns erwischen können.
    Es war mittlerweile ziemlich spät geworden. Ein leichter, feiner Schnee fiel leise vom Himmel herab, und wir mussten nach Hause, denn heute war bei den Pfadfindern Waldweihnacht.
    Die
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