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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen
Autoren: Klaus Schädelin
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ganze Familie und auch den Wrigley versammelte, um ernst mit uns zu reden. Sie sagte, es sei ganz klar, was da drunten vor sich gehe: Die gute Tante habe ja letzte Woche ihre Ohnmacht gehabt, und jetzt zeigen sich die Folgen. Das sei der Beginn der Arterienverkalkung, und von jetzt an heisse es auf die Frau aufpassen. Wir sollten sie recht schonungsvoll behandeln, sie nie zu lange alleinlassen, und ihr ja nichts von der schauerlichen Kletterei sagen: Sicher wisse sie auch davon nichts, und wir müssten ihr allen Kummer ersparen.
    «Abgemacht?»
    «Abgemacht!» erwiderten der Wrigley und ich aus voller Seele.
    Der bedrohliche Zustand der Tante besserte sich allmählich wieder, und weil wir ihr die Hände unter die Füsse legten, wurde ihre Kruste etwas aufgeweicht. Derweil aber rückte der Unterhaltungsabend heran, mit dem Kulissenmalen, Belegtebrötleinstreichen, Tombolalose rollen, mit Proben, Hauptproben, Generalhauptproben, und was so alles dazugehört. Und schon rückte der entscheidungsschwere Samstag heran. Alles war bis aufs Kleinste geplant. Mit dem Rock wollten wir zuwarten bis zur vorletzten Minute nach dem Nachtessen, wo ich die Tante, die bei uns oben isst, beiseite nehmen sollte, um ihr weitschweifig meine Briefmarken zu erklären und das Feld für Wrigleys Expropriieren freizumachen. Auch der Wrigley ass damals bei uns.
    Alles schien zu klappen. Bis die Mutter gegen Ende der Mahlzeit dummerweise sagte: Abgewaschen werde heute nicht. Das habe Zeit bis morgen.
    Ja, was es denn heute gebe? fragte die Tante. (Mir wurde das linke Ohr warm.)
    «Ja, weisst du nichts vom Unterhaltungsabend?» — Und schon erzählte sie, was bevorstehe, und dass auch der Wrigley mitspiele.
    «Nai, wie nätt!» Und schon hatte die Tante beschlossen, mitzukommen.
    Warum das nicht ging, lag für uns zwei auf der Hand, denn welchen Mordsspektakel musste das absetzen, wenn sie die kurze Szene mit dem Wrigley und ihrem eigenen Rock zu Gesicht bekäme.
    Tante Melanie rollte hastig ihre Serviette zusammen und sagte, sie müsse sich beeilen und sich noch umziehen.
    Wir dachten an das lange Schwarze.
    Neinnein, umziehen brauche sie sich nicht, und überhaupt, das sei nur ein Abend für Jugendliche!
    Sie aber strahlte und rief, sie fühle sich jugendlich wie noch nie und war nicht abzuhalten.
    Ja, stammelte der Wrigley, aber schwarz dürfe man nicht kommen, schwarz auf keinen Fall.
    Sei auch gar nicht nötig, sie habe noch das Dunkelviolette aus jüngeren Tagen. Ob das nicht gut genug sei?
    «Aber natürlich!» — brüllten wir wie aus einem Mund.
    Verwirrt und voller Panik in der Seele stürzten wir davon, in Tantes Wohnung, bevor sie herunterkam, rumms, Schrank auf, Rock heraus, und draussen waren wir, wo wir uns mit zitternden Gliedern berieten, wie man die Tante verhindern könnte, die kritische Szene, die ja nur zwei Minuten dauert, mitanzusehen.
    Wrigley sagte, doppelt genäht halte besser. Er werde dafür sorgen, dass sie im rechten Augenblick ans Telefon gerufen werde, und ich solle mir einen Platz neben ihr besorgen, um sie notfalls zu behandeln. Zum Beispiel, ich solle im richtigen Augenblick wie unabsichtlich meinen Geldbeutel mit den Räpplern aus Mutters Haushaltkässelein vor ihre Füsse fallen lassen, und sie müsste nicht eine Baslerin sein, wenn sie mir in den folgenden Minuten nicht beim Auflesen helfe.
    Nach diesem etwas verzweifelten, doppelt genähten Plan verfuhren wir. Ich setzte mich neben die Tante Melanie, in die dritthinterste Reihe. Vom Stück hatte ich gar keinen Genuss, denn die Kupfermünzen in der Tasche mahnten beständig.
    Der erste und der zweite Akt waren vorüber, der dritte mit Wrigley in der Mitte brach an. Schon kam das mit der Bettflasche, und in einer Minute war es soweit.
    Da öffnete sich die Saaltüre, und wie ein erlösender Engel kam der Güschteli herein und schrie in die stille Dunkelheit: «Frau Hürzeler, ans Telefon!»
    Die Sache klappte ganz und gar nicht, denn erstens war die Melanie so völlig ins Stück vertieft, dass sie ihren Namen nicht hörte, und als ich sie anstiess, hatte sich zweitens schon lange eine Frau in der vorderen Saalhälfte erhoben und steuerte dem Ausgang zu, weil offenbar auch sie Frau Hürzeler hiess.
    Nun blieb bloss noch der Geldbeutel.
    Ich klaubte ihn hervor, und im entscheidenden Moment klinkerte sein Inhalt übers Parkett vor Tantes Füsse.
    Doch statt sich zu bücken, machte sie mit hochgerecktem Hals nur ein ärgerliches «z z» und liess mich selber
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