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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen
Autoren: Klaus Schädelin
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behauptet, sie selber habe das getan.
    Und weiter lächelte sie in sich hinein. Es sei ihr jetzt wieder wunderlich wohl. Da sehe man nur, was für eine Gesundheit sie trotz ihrer 75 Jahre besitze, und dann stand sie auf, holte aus dem Schrank die schauerliche Blechbüchse und spendete uns je zwei jener Biskuits aus dem letzten Schaltjahr.
    Man sieht also: Wrigley war nicht vergeblich in die Schauspiellehre gegangen, und er sah den ersten Proben des Stücks mit Stolz entgegen.
    Bald freilich tauchte ein neues Problem auf: Alle Schauspieler mussten ihre Kostüme selber beschaffen.
    Drum fiel unser Blick von neuem auf die Tante Melanie. Sie hatte in ihrem Schrank die nötigen Tantenuniformen, und im Geist gingen wir schon all die Prachtstücke durch. Für Wrigley kam nur das lange Schwarze in Betracht, das sie bei festlichen Anlässen trug, jenes Kleid mit siebenhundert Knöpfen und dem
    Kragen mit Fischbein. Darin werde er ein Bombenerfolg, schwärmte Wrigley.
    Freilich verstand es sich am Rand, dass unsere Tante dieses Kleid nimmer freiwillig abtrete, und wir beide waren im Grunde gegen die Gewalt. Diese Tantentracht mir nichts dir nichts abzuhängen, war gegen die gute Sitte. Zuerst dachten wir ans Mieten, aber weil wir wussten, dass sie dieses Stück ihr zweites Hochzeitskleid nannte, weil sie es an ihrer silberigen Hochzeit trug, war auch an eine Miete nicht zu denken. Da hatte der Wrigley eine Idee:
    «Eugen, wir expropriieren es!» Das mache nämlich die Regierung, wenn sie zum Beispiel ein Haus brauche, welches nicht käuflich sei. Das sei eine sehr gute Methode, und wir seien fein raus.
    Damit war der Plan gefasst, und wir mussten bloss noch einen Augenblick abpassen, wo die Tante ausser Hauses war. Nicht, um das Kleid endgültig zu expropriieren. Das konnte erst im letzten Moment vor dem Unterhaltungsabend geschehen. Aber um eine Anprobe zu halten. Das sei wichtig. Der Pfarrer Kiengold zum Beispiel, der, welcher den Röbeli versehentlich am Auge getauft hatte, der habe einmal im Münster gepredigt in einem fremden Talar, und weil er ihn nicht anprobiert habe, sei er vor der Kanzel darauf getreten und der alten Frau Kindhofer direkt in den Schoss gestolpert. So etwas wäre zu vermeiden gewesen, und darum müsse eine Anprobe sein.
    Wir warteten drei Tage, bis die Luft einmal ganz rein war. Als ein Riesenspass fing diese Sache an, und als ein Zwischenfall mit Folgen hörte sie auf. Der Wrigley trat vor den Schrank und holte das lange Schwarze heraus. Es war schaurig schön, erst noch, als er es angezogen hatte und anfing, zimperlich zu reden, zum Beispiel: «Eugen, gib mr e Schteggnoodle .» Das war ein Anschauen, sage ich euch: Dieser ungewaschene Hals in dem steifen Spitzenkragen, und darüber dieses Wrigley-gesicht mit den vielen Pickeln. Er kam mir vor wie jenes Buch mit den Figuren, denen man die Köpfe wechseln kann.
    Und dann kam der Gipfel: Der Wrigley tat plötzlich noch dämlicher, sagte: «Nai, Frau Diräggter» und solche Sachen, und auf einmal machte er den Hochstand, einen nach dem anderen, und wir lachten bei jedem ärger, bis ich zufällig unten die Haustüre schlagen hörte. Ein sattsam bekanntes Hüsteln sagte uns, wer da im Anzug war.

    Der Wrigley — kreidebleich — flüsterte mir zu, ich solle sie im Treppenhaus aufhalten, derweil er sich zum Fenster hinaus in Sicherheit bringe. Mit beträchtlichem Herzklopfen gelang mir das, und alles schien über Erwarten gut abzulaufen, weil es eine Viertelstunde später glückte, das lange Schwarze unvermerkt in den Schrank zurückzuschmuggeln.
    Und doch hatte die Sache eine unverhoffte Folge, weil Frau Ott vom Nachbarhaus den Wrigley bei seiner Fassadenkletterei beobachtet hatte. Am Abend kam sie herüber und teilte meiner Mutter in vertraulichem Gespräch folgendes mit: Sie sei heute nachmittag zufällig am Fenster gestanden und habe unsere Tante heimkommen gesehen. Nun müsse sie ihr leider sagen, dass mit der alten Frau etwas nicht in Ordnung sei: Ungefähr eine Minute nach ihrer Heimkehr sei dieser gebrechliche Mensch über die Fensterbrüstung gestiegen. Fast hätte
    Frau Ott laut geschrien, aber sie unterliess es, um die Tante nicht zu erschrecken. Sie habe wortlos zugeschaut, wie die alte Frau verwunderlich behend am Spalier niederkletterte und mit einem Sprung die Strasse erreichte, um sogleich wieder durch die Haustüre zu verschwinden.
    Das sei doch eigenartig.
    Diesen schrecklichen Ausflug unserer guten Tante vernahm ich, als die Mutter ihre
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