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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen
Autoren: Klaus Schädelin
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denn wieder ab und beschloss, selber zu handeln.
    Nach dem Abtreten rannte ich quer durch die Stadt zum Dählhölzliwald, um das Schächtelchen auszugraben. Ich musste lange suchen, denn hier hatte es keine Kerzen. Fast gar wäre ich aus Angst noch umgekehrt, als ich keine dreissig Meter von mir einen Ast verdächtig knacken hörte. Ich wusste, was ich dem Zacharias heute abend schuldig sei; drum hielt ich durch und fand nach einer halben Stunde auch wirklich die Stelle. Aber merkwürdig: Rundherum war der frische Schnee zertreten, und neben dem Baum war das Loch schon ausgegraben. Was war da geschehen? Hatte uns am Nachmittag jemand beobachtet und war nachts zurückgekehrt, um nachzugraben, weil er meinte, wir verstecken einen Schatz?
    Das war bitter, denn das Gebiss war weg, und guter Rat war teuer. Zudem konnten die Räuber noch nicht weit gekommen sein, und ich schwebte in Todesgefahr.
    So schnell bin ich noch nie zu einem Wald herausgeraten, wie diesmal, und erst unter den sicheren Strassenlaternen überlegte ich mir, was da noch zu retten sei. Gottlob kam mir die richtige Idee:
    Hatte nicht die Tante Melanie im Nachttischschublädchen noch die sämtlichen Effekten ihres ehemaligen Mannes: Die Uhr, den Rasierpinsel, die Manschettenknöpfe und in einer Schachtel sein Gebiss? Was brauchte der Verblichene diese Sachen noch? — Und was konnte die Tante noch mit den Zähnen anfangen? — Nahm man ihr die Uhr, so war das Diebstahl. Nahm man aber das Gebiss, so war das höchstens Entrümpelung, denn die Tante Melanie hatte längst die Hoffnung aufgegeben, einen Zweiten zu finden.
    Noch einmal an diesem Tage schlich ich mich gebisshalber durch eine Tür. Tante Melanie lag und schlief. Nein, sie sass schon eher. Und wenn sie einmal schläft, dann schläft sie. Das ist bekannt. Das Schublädchen war bald offen. Nach einigem Grübeln fand sich auch die Schachtel, und während ich mich auf den Zehenspitzen hinausmachte, schwor ich mir, sie in spätestens einer Woche ins Vertrauen zu ziehen.
    Leider konnte ich die Angelegenheit heute abend nicht mehr erledigen, denn oben waren Mutter und Vater noch auf, und sie überwachten sowohl das Zähneputzen wie das Zubettgehen, und ich musste alles auf morgen verschieben. Das eine freilich stand schon heute fest: Das war meine Sache, und weder den Wrigley noch den Eduard ging sie etwas an.
    Am nächsten Morgen befühlte ich auf dem Schulweg in der Tasche Zahn für Zahn und freute mich auf die Wohltat an Zacharias.
    Aber was war denn das?
    Kommt der alte Mann nicht mit seinen sämtlichen Zähnen zur Stube herein, als wäre nichts geschehen, und zwinkerte er dem Wrigley und dem Eduard nicht verständnisvoll zu; und erklärte er nicht vor versammelter Klasse, es tue ihm leid, gestern eine Katze misshandelt zu haben?
    War es gestern abend also nebst mir noch für drei andere Weihnacht geworden?

DER RITTER EISENHUT

    Seit je war mir die Gegend ums historische Museum verhasst: Erstens weil in seiner Nähe ein paar Schulen sind, welche die Jugend verdüstern. In einer von ihnen wurde mein Charakter geprägt, und wem der missfällt, der wende sich bitte an den richtigen Ort.
    Zweitens steht dort auf dem Helvetiaplatz das Telegraphendenkmal: Was ich diese Helvetia aus Eisen, diese Riesenmadam hasse, seitdem man mir einst in der zweiten Klasse gesagt hatte, ich solle ihr auf den Schoss klettern, und dann drücke mich der Bäschteli mit seinem Kodak ab, und das sei eine schöne Erinnerung. Sie halfen mir selbdritt auf der Helvetia ihren Riesenschoss, und nicht nur war es mir dort sehr schwindlig und schämte ich mich, wie immer mit Mädchen, sondern von unten herauf lachten sie und nannten mich Bubi, und dann waren sie auf einmal verschwunden, und ich blieb allein auf weitem Schoss zurück. Zudem war der Rock der Helvetia von der Sonne sehr heiss, und weil ich erst in die zweite Klasse ging, heulte ich los, was ich konnte, bis mich der Stationsvorstand vom Muribähnchen rettete. Das war eine meiner grössten Blamagen, besonders noch, weil mich der Bäschteli tatsächlich photographiert hatte, aber erst beim Heulen. Und seither sagten sie mir jeden Morgen in der Schule: «Eugen, denk mal, wie du auf dem Denkmal warst!»
    Genau hundert Meter hinter dieser Helvetia ist das historische Museum. Lange Zeit war es mir bloss verhasst, aber sonst nicht besonders unsympathisch. Es war der Ort, wo wir hin mussten, wenn wir die Woche über brav gewesen waren.
    Aber dann ist einmal der Tag gekommen, wo
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