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Mein Mutiger Engel

Mein Mutiger Engel

Titel: Mein Mutiger Engel
Autoren: Louise Allen
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Anblick schreiend die Flucht ergreifen. Er hatte gar nicht gewusst, wie übel er aussah, ganz zu schweigen von seinem Geruch.
    "Ah, Miss Cunningham, bitte treten Sie doch ein." Mr. Rawlings führte eine hochgewachsene, schlanke, tief verschleierte Frau in einem grauen Kleid ins Zimmer. Ein zierliches Dienstmädchen folgte ihr mit vor Furcht weit aufgerissenen Augen. Als die junge Dame ihren Schleier lüftete, stockte dem Gefangenen der Atem. Sie war schön! Große braune Augen, hohe Wangenknochen, ein zartes Kinn, dichtes dunkelblondes Haar unter ihrem Hut – liebreizend und mutig, trotz ihrer Angst.
    In der Amtsstube blieb Katherines Blick sofort an dem gefesselten Mann in der Mitte des Zimmers hängen. Neben seiner großen, breitschultrigen Gestalt verblassten alle anderen Anwesenden. Seine Gesichtszüge konnte sie hinter seinem schwarzen Bart kaum erkennen, doch sie bemerkte die Ringe unter seinen dunklen Augen. Offensichtlich geht es ihm nicht gut, dachte sie mitfühlend.
    Die engen Handschellen hatten seine Handgelenke wund gerieben. Seine Kleidung bestand aus einer abscheulichen, zerrissenen Jacke, einer Wildlederhose und einem Paar schmutziger Stiefel. Falls er ein Hemd trug, so konnte sie es nicht sehen, denn er hatte sich ein zerlumptes Halstuch – rot mit weißen Punkten – umgebunden. Er verströmte denselben Geruch, den sie in den Gängen des Gefängnisses wahrgenommen hatte und der untrennbar zur Atmosphäre dieses Orts zu gehören schien.
    Dann trafen sich ihre Blicke, und mit einem Mal sah sie in ihm nichts weiter als einen Mann in verzweifelter Not, einen Mitmenschen, den sie und Philip für ihre Zwecke benutzten.
    "Ich würde gerne unter vier Augen mit Mr. Standon sprechen", erklärte sie ruhig.
    "Ich weiß nicht, ob das klug wäre, Maam."
    "Ich wünsche es aber", beharrte sie. "Mr. Standon, bitte sehr."
    Er folgte ihr in eine Ecke des Zimmers und zog fragend die Augenbrauen hoch. "Ja, Miss Cunningham?"
    Wie kultiviert er sprach! Ein Gentleman, der zum Wegelagerer geworden war? So etwas kam vor, Katherine hatte schon von mehreren Fällen gehört. "Ich möchte gerne wissen, weshalb Sie sich zu diesem Schritt bereit erklärt haben", sagte sie rasch mit gedämpfter Stimme.
    In seinen Augenwinkeln bildeten sich Lachfältchen. "Immer noch besser, als vierundzwanzig Stunden am Tag in einer dunklen Zelle zu sitzen."
    "Das kann nicht Ihr einziger Grund sein", entgegnete sie ungeduldig. "Wenn Sie irgendwelche Angehörigen hätten, um die ich mich kümmern könnte – aber laut meinem Bruder stehen Sie völlig allein da."
    "Es gibt niemanden, der Ihre Hilfe benötigt", bestätigte er in unerwartet grimmigem Ton.
    "Welchen Vorteil haben Sie dann davon?" Sie würde sich nicht mit Ausflüchten abspeisen lassen. Plötzlich lag ihr viel daran, zu erfahren, was diesen zum Tode verurteilten Mann veranlasste, ihr einen Gefallen zu tun.
    "Ich muss gestehen, die Aussicht auf die bevorstehende Nacht war ein starker Anreiz, Miss Cunningham. Besonders, nachdem ich Sie nun gesehen habe."
    "Die bevorstehende Nacht? Was wollen Sie damit sagen?" Ihr Herz begann heftig zu pochen. Er meinte doch nicht etwa …? Nein, mit Sicherheit nicht.
    "Eine rechtsgültige Ehe setzt zwei Dinge voraus, Miss Cunningham. Es muss eine Trauung stattfinden, und die Ehe muss vollzogen werden."
    Katherine spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich. Alles begann vor ihren Augen zu verschwimmen. Sie taumelte, doch er stützte sie geistesgegenwärtig, bis sie sich wieder gesammelt hatte. "Ich muss mit meinem Bruder sprechen." Mit diesen Worten drehte sie sich um, durchquerte das Zimmer und nahm Philip energisch beim Arm. "Komm bitte mit nach draußen, und du auch, Arthur. Entschuldigen Sie uns, Mr. Rawlings. Reverend."
    Im Korridor vor der Amtsstube fuhr Katherine die beiden Männer an: "Ihr habt mir nicht gesagt, dass diese Ehe vollzogen werden muss! Was denkt ihr euch eigentlich? Wie kann ich mich einem Mann hingeben, den ich nicht kenne, einem verurteilten Verbrecher? Soll ich mich etwa mit ihm in seine schmutzige Zelle zurückziehen? Erwartet ihr das von mir? Da irrt ihr euch aber gewaltig, das lasst euch gesagt sein!"
    "Bitte beruhige dich doch, Katherine", flehte Arthur. "Philips Geldverleiher hat hier seine Spione. Wenn er Gründe findet, die Gültigkeit der Ehe anzufechten und sein Geld einzufordern, dann wird er das tun, glaube mir."
    "Man hat mir versprochen, dass Black Jack Standon zuerst ein Bad nehmen und sich rasieren wird", fügte
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