Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Mutiger Engel

Mein Mutiger Engel

Titel: Mein Mutiger Engel
Autoren: Louise Allen
Vom Netzwerk:
Frauenschänder zusammengepfercht wurden.
    Anscheinend brachte sein fragwürdiger Ruhm als Black Jack Standon den Gefängniswärtern genügend Trinkgeld ein, um ihn von den anderen Gefangenen zu trennen. Auf diese Weise konnten sie ihn besser den trägen Herren und den aufgeregten Damen vorführen, die sich von einem Ausflug in eines der meistgefürchteten Gefängnisse Londons eine spannende Zerstreuung versprachen. Der Anblick eines berüchtigten Wegelagerers, der in Hertfordshire sein Unwesen getrieben hatte, stellte den Höhepunkt ihres Besuchs dar.
    Er hatte mit seinem Essnapf nach der Gruppe geworfen, die sich vor ein, zwei Stunden vor dem vergitterten Guckfenster in der Tür seiner Zelle zusammengeschart hatte. Als die abscheuliche Flüssigkeit die feinen Gewänder auf der anderen Seite des Gitters bespritzte, erhob sich lautes Kreischen und Schimpfen, was ihm nur ein grimmiges Lächeln entlockte. Nach diesem Vorfall würde man ihm heute mit Sicherheit nichts mehr zu essen bringen. Und wenn schon, ihm war seit seiner Gerichtsverhandlung – falls man sie so bezeichnen konnte – ohnehin der Appetit vergangen.
    Wieder näherten sich Schritte. Das Türchen vor dem Gitterfenster wurde zurückgeschoben, und er blinzelte in den Schein einer Lampe, die ein Gefängniswärter vor dem Spalt hochhob. Draußen war wahrscheinlich helllichter Tag, doch in seine Zelle drang nur ein trüber Flecken Licht, kaum stark genug, um von den Rinnsalen an den Wänden reflektiert zu werden.
    Diese Besucher unterschieden sich von den üblichen sensationslüsternen Herrschaften. Soweit er es hören konnte, handelte es sich um zwei Männer, die in gedämpftem Ton stritten. Ich werde wie ein Tier auf einem Jahrmarkt zur Schau gestellt, dachte er zornig. Jäh schwang er seine Beine von der Pritsche und ging auf die Tür zu, bis die Kette ihn zum Stehenbleiben zwang. "Sie wird niemals einwilligen …", bemerkte einer der Herren noch, bevor die Schiebetür wieder zugeschlagen wurde.
    Mit unbeholfenen, schlurfenden Schritten kehrte er zu seiner Pritsche zurück. Du solltest dich langsam daran gewöhnen, angestarrt zu werden, sagte er sich grimmig. In acht Tagen würde er aus dieser Zelle treten, um vor den Augen einer großen Menschenmenge zu sterben. Von dem Verurteilten wurde erwartet, dass er anständig in den Tod ging, in seinen besten Kleidern, mit herausfordernder Haltung und mit einem Scherz auf den Lippen. Er indes würde den Zuschauern keine feinen Kleider bieten können. Er besaß nichts anderes als die schlecht sitzenden Sachen, die er am Leib trug, und keinen einzigen Penny in der Tasche, um sich etwas anderes zu kaufen.
    Allmählich solltest du dich auf deine Hinrichtung vorbereiten, dir einen geistreichen Spruch einfallen lassen, setzte er sein Selbstgespräch fort. Gab es denn gar keine Aussicht mehr auf Rettung? Nein. Wenn er gleich bei seiner Festnahme eine Nachricht nach Northumberland geschickt hätte, wäre man ihm vielleicht rechtzeitig zu Hilfe gekommen. Vielleicht aber auch nicht.
    Er hatte sich diese Suppe selbst eingebrockt. Sein Stolz hatte ihn veranlasst, sechs Jahre fortzubleiben – nun würde dieser Stolz ihm verdammt noch mal helfen müssen, dies alles bis zum Ende durchzustehen. Schicksalsergeben schloss er die Augen. Wenigstens regnete es nicht, wenigstens lag er nicht im Schlamm, und in den nächsten acht Tagen würde niemand versuchen, ihn zu töten. Verglichen mit der Nacht vor der Schlacht bei Waterloo war das schon ein Fortschritt. "Denk immer daran, mit welchen Gnaden der Herr dich gesegnet hat", pflegte seine alte Amme zu sagen. Bei diesem Gedanken entspannte sich seine bittere Miene ein wenig, und er begann zu dösen.
    Katherine Cunningham sah überrascht von ihrem Buch auf, als die Eingangstür geöffnet wurde und sie Männerstimmen im Flur hörte. Ein rascher Blick auf die Kaminuhr verriet ihr, dass es erst in einer halben Stunde sechs Uhr schlagen würde. Was tat Philip nachmittags um diese Zeit zu Hause?
    Sie stand auf und verließ den Salon auf der Rückseite ihres Hauses in der Clifford Street, wo sie sich einem Augenblick der Muße hingegeben hatte. Da sie praktisch kein Personal mehr beschäftigten, pflegten sie nur noch dieses kleine Empfangszimmer zu benutzen. In allen anderen Räumen waren die Möbel mit Schutzbezügen bedeckt, mit Ausnahme des Kabinetts, das Philip gerne als sein Arbeitszimmer bezeichnete.
    Dorthin begab er sich gerade, als Katherine in die Eingangshalle trat. Arthur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher