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Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Titel: Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
Autoren: Angelika Buscha
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starb. Unangemeldet, unvorbereitet und ohne Rücksicht auf Verluste.
    Ich meine, das gehörte sich doch nicht! Das war ein Unding. Eine Frechheit. Eine Unverschämtheit. Der Mann, so sympathisch, wie ich ihn auch fand, konnte doch nicht einfach den Löffel abgeben! Nicht hier. Nicht in meinem Büro und nicht in meiner Gegenwart.
    Mein Gott!
    Als ich die Ungeheuerlichkeit endlich realisiert hatte, schlugen meine Überlebensfunktionen Alarm. Adrenalin durchschoss meinen Körper, das Herz beschleunigte den Rhythmus ebenso wie die Lunge das Atmen. Panisch sprang ich auf, näherte mich dem Mann halb gebückt, ging noch ein wenig weiter in die Knie, um ihm besser ins Gesicht schauen zu können, und hoffte auf einen Atemstoß, ein Flattern der Lider, ein Zucken der Brauen oder ein Beben der Nasenflügel. Auf irgendetwas jedenfalls, das mir anzeigte, dass Meinhards Herz nur mal kurz vom Leben pausierte.
    Ich bückte mich vergeblich. Bei Meinhard rührte sich nichts.
    Gar nichts.
    Genervt, jedoch vorsichtig, piekste ich ihm mit dem ausgestreckten Zeigefinger in die Wange und murmelte beschwörend: »Meinhard! Mensch, Herr Meinhard, schauen Sie mich an, bitte!«
    Ich zupfte ihn am Ohr, wartete, zupfte noch einmal etwas stärker, und als auch das nichts bewirkte, hob ich schließlich das prächtig entwickelte Doppelkinn meines Kunden an, holte weit aus und knallte ihm eine.
    Sollte ihn das wider Erwarten reanimieren, konnte ich mich immer noch entschuldigen.
    Es klappte nicht.
    Ich ließ Meinhards Kopf fallen, lehnte mich resigniert gegen meinen Schreibtisch und geriet, nachdem endlich auch die allerletzte Gehirnzelle Meinhards Tod akzeptiert hatte, in eine maßlose Wut.
    Wie konnte der Mann es wagen, ausgerechnet in meinem Büro zu sterben? War die Stadt nicht groß genug? Hätte er dem Herzanfall nicht in seiner Vorstadtvilla erliegen können, anstatt mir den Ärger an den Hals zu hängen?
    Ich sah die Schlagzeile, die am darauf folgenden Tag auf der ersten Seite irgendeiner dämlichen Gazette prangen würde, schon vor mir: »Herzschlag in Heiratsinstitut. Wenn alte Männer zu viel wollen«. Oder ähnliche, dummdreiste Sprüche, die irgendwelchen dämlichen Journalistenhirnen entsprangen, um die tägliche Auflage ihrer Zeitung zu sichern.
    Ich entschied kurzerhand, dass ich als Auflagengarantie nicht taugte. Es gibt für Partnerschaftsvermittlungen, Hotels und Fitnessclubs keine geschäftsschädigendere Situation als einen toten Kunden. Das konnte und wollte ich mir bitte schön nicht erlauben.
    Gerhard Meinhard musste weg. Diskret, schnell und unauffindbar.
    Gewiss, ich hatte keine Ahnung, wie ich das bewerkstelligen sollte, kannte ich dergleichen Situationen doch lediglich aus dem Kino oder Fernsehen, mithin als Kopfgeburten irgendwelcher abgedrehter Drehbuchschreiber, denen es beim Entsorgen ihrer Filmleichen um Spannung, gegebenenfalls um Originalität, garantiert jedoch nicht um Praxistauglichkeit ging.
    Mit Entsorgungsmethoden wie in »Pulp Fiction« oder »Schnappt Shorty« brauchte ich mich also gar nicht erst auseinander zu setzen. Alternativen allerdings, so muss ich zerknirscht gestehen, kamen mir fürs Erste leider auch nicht in den irritierten Sinn, so dass ich beschloss, Meinhard im Keller meines Hauses zwischenzulagern, bis mir etwas Praktikables einfiele.
    Das nächstliegende Provisorium war eine geräumige Kleidertruhe aus Massivholz, wie sie noch in der Generation meiner Urgroßeltern von Seeleuten mit auf große Fahrt genommen wurde. Meine Großmama hatte die Truhe von ihrem Vater geerbt, nach ihrem Tod war sie zunächst auf meine Mutter übergegangen und schließlich auf mich, da meine Mama »die Kiste« loswerden wollte.
    Die Truhe war ein Prachtexemplar aus braunrotem Teakholz, deren Kanten mit einst messingfarbenen, im Laufe der Jahrzehnte jedoch schwarz angelaufenen Beschlägen eingefasst waren, wobei die eine oder andere Ecke durch den früheren, recht groben Alltagsgebrauch ausgebrochen war. Robuste, inzwischen verrostete Schnappschlösser ließen sich nur noch unter allergrößter Beschwernis öffnen oder schließen. Am schönsten zu betrachten waren allerdings die dicken, inzwischen wie alle anderen Beschläge angelaufenen Messingtragegriffe, einer an der Längsseite und je einer an der kürzeren Kopfseite. Zum komfortableren Transport waren sie mittig mit ursprünglich rotbraunem, nunmehr speckig dunklem Rindsleder ummantelt worden.
    Seitdem ich das Ungetüm also von meiner Mutter übernommen
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