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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine
Autoren: Horst Evers
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- Ey Mann, das ist 11 Uhr durch, und Du sitzt hier rum. Geh gefälligst mal in die Stadt raus, mach ordentlich Kinder, denk doch auch mal an mich!
    Nicht dass ich es dem Rentenloch zuliebe nicht mal versucht hätte. Aber als ich in der Stadt die erste Frau angesprochen habe: - Guten Tag, es ist mir auch unangenehm, aber… es ist wegen des Rentenlochs, weil das ja immer größer wird, was ja so auch nicht weitergehen darf, also ob Sie vielleicht… also quasi wir… also es wäre dann ja sozusagen ein Akt der Vernunft…, hat die tatsächlich geantwortet:
    - Na ja, vor diese Wahl gestellt, findet sie das Rentenloch dann doch irgendwie jetzt auch wieder nicht so schlimm…
    Im Herbst hatte ich hier noch die Massenarbeitslosigkeit zu Gast. Aber die hat sich ja mittlerweile irgendwo anders ein kleineres Zimmer gesucht.
    In meiner Speisekammer haust seit dem letzten Sommer die Lücke in der Pflegeversicherung. Fühlt sich da pudelwohl.
    Die Gesundheitsreform dagegen habe ich schon vor Wochen ins Treppenhaus geschickt. Zur Strafe. Die soll sich da erst mal schön über sich selber klar werden. Was sie eigentlich will. Seitdem steht sie da und bewegt sich nicht.
    Hab der Klimakatastrophe dann zurückgemailt: Tut mir leid, aber zur Zeit sind hier einfach keine Katastrophenplätze mehr frei, alles belegt. Vielleicht, wenn die Vogelgrippe dieses Jahr kurzfristig absagen sollte, aber würd mich nicht drauf verlassen.
    Hoffe mal, sie kriegt das nicht in den falschen Hals. So eine Weltklimakatastrophe kann ja sehr aufbrausend und stürmisch sein.
    Die Gesundheitsreform klopft an die Tür und fragt, ob sie wieder reinkommen darf. Lasse sie rein. Ich mein, sonst will sie ja doch keiner haben. Und mal ehrlich: Gemessen an der Weltklimakatastrophe ist die Gesundheitsreform dann ja doch eher der angenehmere Mitbewohner.

Intelligente Straßen

    Klaus will mir sein altes Navigationssystem mit GPS schenken. Er sagt, er habe jetzt ein besseres, er brauche das alte nicht mehr. Ich bin baff:
    - Wie? Ein besseres GPS? Eines mit jetzt noch kürzeren Wegen? Und wieso bekomme ich das alte? Heißt das, ich soll jetzt immer die ganzen unmodernen, völlig überholten Umwege vom alten GPS gehen?
    Klaus lacht:
    - Nein, die Wege sind die gleichen. Das neue Navigationssystem hat nur ein paar tolle Zusatzfeatures. Zum Beispiel hat es eine »Sich-verlaufen«-Funktion.
    - Eine was?
    - Eine »Sich-verlaufen«-Funktion. Kann doch mal sein, daß man Lust hat, sich einfach mal ein bißchen zu verlaufen, völlig zu verheddern, bis man total orientierungslos ist. Dann wählt man diese »Sich-verlaufen«-Funktion, und das GPS führt einen total in die Pampa.
    - Hm. Offen gestanden konnte ich das bis jetzt eigentlich auch ohne GPS ganz gut.
    - Klar, das ist auch mehr ’ne Spielerei. Aber was toll is, Du kannst Dir zum Beispiel google earth da draufladen.
    Okay, google earth ist toll. Allein diese Kippfunktion, mit der man quasi in 40 Metern Höhe über die Stadt fliegen kann. Schaue mir seit neuestem gerne Wege zuerst bei google earth an. Fliege sie praktisch vorher einmal ab. Ich finde, das ist eine wirklich gute Orientierungshilfe. Wenngleich man die Wege dann natürlich praktisch nur von oben kennt. Das ist schon ein Nachteil. Dadurch muß man unterwegs doch ab und zu mal bei Leuten im sechsten Stock oder höher klingeln, um sich von deren Wohnung aus den Weg noch mal anzugucken. Aber wenn man denen dann sagt, es ist wegen google earth, haben alle Verständnis.
    Aber diese Funktion ist ja nur in Klaus’ neuem schicken Navigationssystem. Der alte Knochen, den er mir schenken will, kann ja praktisch nichts außer Wegen.
    - Klaus, ich brauche so ein GPS nicht, ich habe ja nicht mal ein Auto.
    Aber Klaus kann sehr überzeugend sein. Erst recht, wenn er altes Zeug von sich entsorgen will:
    Probier es doch einfach mal aus. Das ist auch super zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Sehr nützlich, Du wirst sehen.
    Und er sollte recht behalten. Gleich am nächsten Tag teste ich es mal den Weg zum Kiosk. Und tatsächlich geschieht etwas Erstaunliches. Das Navigationssystem teilt mir quasi mit, die Wartenburgstraße in Kreuzberg gibt es gar nicht. Das hätte ich nicht gedacht. Seit Jahren laufe ich fast täglich wie blöd durch diese Straße und merke überhaupt nix. Und diesem Gerät reicht ein einziger Blick, um festzustellen, die Straße gibt es gar nicht. Es ist eben doch ganz gut, wenn man seinen alltäglichen Trott mal mit den Mitteln objektiver moderner Technik
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