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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine
Autoren: Horst Evers
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»Kopfrechnen« entwickeln. Ein Programm, das dann eben sehr, sehr langsam läuft und letztlich mehr so zu Überschlagsergebnissen kommt. Technisch ist das womöglich schon machbar.
    Habe mich natürlich auch noch nie getraut, bei meiner Waschmaschine dieses Programm »Handwäsche« anzuwählen, denn wenn diese Maschine auch nur für einen Moment logisch denken würde, müßte die Anwahl des Programms Handwäsche ja bedeuten, daß sie sofort kaputt geht und ich dann die Wäsche von Hand mache.
    In der zweiten Hälfte des Interviews gibt die Elektronik-Marketing-Wurst noch mehr Wissen über die Zukunft preis. Das neue Zentrum, also das neue Gehirn unserer Küche, werden nämlich intelligente Kühlschränke sein. Kühlschränke, die selbständig feststellen, wenn Butter oder Milch ausgehen, und das dann direkt online nachbestellen. Seit Jahren im Gespräch, jetzt sind sie wohl bald serienreif und sollen auf die arglose Menschheit losgelassen werden. Diese Kühlschränke machen mir ernsthaft Angst. Denn wenn diese Technologie in etwa so gut funktioniert wie die restliche Elektronik in meinem Haushalt, dann…
    Wenn der erste Butter-Lkw vor der Tür steht und der Fahrer mit treuen Augen den Lieferschein zückt: »Nee nee, hat Ihr Kühlschrank so bestellt, da kann ich jetzt auch nichts machen. Zwei Tonnen mild gesäuert, hier steht’s…«
    Dann bekommen wir eine erste Ahnung davon, wem wir da die Herrschaft über unseren Haushalt überlassen haben. Intelligente Kühlschränke. Geschmiedet in den ewigen, gleißenden Feuern von Sauron. Ein Kühlschrank, sie zu knechten. Und die weiteren Schritte werden folgen, wie in der Kommunikationselektronik. Sind die neuen Herrscher erst einmal installiert, beginnen die Demütigungen. Vermutlich wird man die online bestellte Milch bald mit einem komplizierten Kopierschutz ausrüsten, so daß man diese Milch dann nur noch in der eigenen Küche trinken kann. Sobald man mit ihr die Küche verlassen will, wird sie nicht mehr funktionieren und sofort ausflocken. Natürlich wird man aber auch nur online bestellte Milch in diesen Kühlschrank stellen können, andere Milch wird dort sofort sauer werden. Wie das genau funktioniert, ist zwar völlig unklar, aber sie werden einen Weg finden. Und dann kommen die neuen Betriebssysteme. Betriebssysteme, für die wir jedes Jahr einen neuen, noch intelligenteren Kühlschrank kaufen müssen. Und wenn nicht, dann können wir mit unserem alten Online-Kühlschrank plötzlich gar keine frische Vollmilch mehr bestellen. Sondern nur noch Monate alte H-Milch. Und schließlich werden die ersten aufgeben und sich in ihren Innenstadtwohnungen eine Kuh und sechs Hühner halten. Um die Familie wenigstens noch einigermaßen menschenwürdig über die Runden bringen zu können. Und während wir so leben, zwischen Kuhfladen und Hühnerkacke, da werden wir uns fragen: War es das alles wert? Gehe zu meinem alten Kühlschrank und streichle ihm sanft über die Abdeckung. Er brummt wohlig. Das gefällt ihm. Ich öffne zärtlich seine Tür, und er ist leer. Leer, so wie ich ihn schuf. Und ich denke: Mist, wär eigentlich schon schön, wenn der jetzt frische Milch besorgt hätte.

Wohin mit der Weltklimakatastrophe?

    Dienstagmorgen, im Posteingang sind schon wieder drei Mails von der Weltklimakatastrophe. Langsam wird die echt aufdringlich. Sie kündigt ihr Kommen an. Für demnächst. Fragt, ob ich sie vom Hauptbahnhof abholen kann. Mist, ausgerechnet vom Hauptbahnhof, der ist doch für sowas gar nicht gebaut. Na super. Bestimmt will sie dann auch hier wohnen. Schaue mich in der Wohnung um. Na, eigentlich sieht’s ja so aus, als wär die Weltklimakatastrophe schon dagewesen. Weiß echt nicht, ob es ihr hier gefallen würde.
    Aber vor allem bin ich eigentlich noch gar nicht in der Verfassung, schon wieder Besuch von einer Katastrophe zu bekommen. Bis vor zwei Wochen hat hier ja noch das Rentenloch gewohnt. Das war anstrengend genug. Stand auf einmal vor der Tür: - Tag, ich bin das Rentenloch, kann ich mal für ’ne Woche hier wohnen? Und zack!, saß es auch schon dick im Sessel. Hat dann die ganze Zeit vor sich hingejammert. - Ich bin ein Rechenfehler, eigentlich bin ich nur ein Rechenfehler. Das ist alles nicht meine Schuld, ich wollte das doch nicht. Mich gibt es nur, weil andere sich verrechnet haben. Guck mal hier, ich hab schon wieder zugenommen…
    Meine Herren, war dieses Rentenloch ein wehleidiger Geselle. Und immer wollte es mir ein schlechtes Gewissen machen.
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