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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin
Autoren: Stephen Fine
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Dringlichkeit ihres Anliegens unterstreichen, da sie gleich darauf die irritierende Forderung wiederholte, ich solle ihr ein Marmeladenbrot machen.
    »Mach's doch selbst«, sagte ich zu meiner eigenen, nicht unerheblichen Überraschung.
    Diese bemerkenswerte Impertinenz war die erste einer ganzen Reihe, die noch vor Ende des Tages meine Gebieter auf meinen Zustand aufmerksam machen sollten. Es ließ sich daran nichts ändern: Ich war zu der Zeit so ungeübt in der Kunst der Verstellung wie darin, mein eigener Herr zu sein. Und obwohl ich meine Stimme – die ungewöhnlich süß und melodisch klang – nicht erhoben hatte, machte Beverly unvermittelt kehrt und lief aus dem Zimmer, wobei sie nach ihrem Bruder rief, als hätte ein plötzlich auftauchendes Ungeheuer sie in Angst und Schrecken versetzt. Als sie wenige Augenblicke später mit ihm im Schlepptau wieder erschien, ertappten sie mich vor dem Spiegel, in dem ich wieder einmal die Schönheit meines Gesichts bewunderte.
    »Mo soll tun, was ich sage, Tad«, verlangte sie von ihrem herablassenden und mißtrauischen Bruder. Er sagte: »Du mußt deutlich sprechen, wenn du ihr Anweisungen gibst, klar?« Worauf sie zornig erwiderte, daß sie sehr deutlich gesprochen habe, sogar noch deutlicher, als sie mit dem Sears zu sprechen pflege. Also, um sie zu beschwichtigen und um nicht weiter belästigt zu werden (er hatte in seinem Zimmer Holos angeschaut), wiederholte er ihre Bitte, doch enttäuschte ich auch ihn, denn während ich mich umdrehte, um der Aufforderung nachzukommen, wurde ich von dem nächsten atemberaubenden Eindruck abgelenkt, der mich an Ort und Stelle wie angewurzelt stehenbleiben ließ: einem weiten Ausblick auf die geräumige Veranda und den rückwärtigen Garten, eingerahmt von den bernsteinfarben getönten Schiebetüren des Wohnzimmers.
    »Da siehst du's. Sie funktioniert nicht richtig.«
    Der junge Herr Locke sah es und war alarmiert. Er fragte seine Schwester, ob sie irgendeinen Unsinn mit mir angestellt hätte, und sie erwiderte beleidigt, sie habe nichts anderes getan, als mich um ein lausiges Butterbrot zu bitten. »Wie es aussieht, wirst du dir selbst eins machen müssen«, meinte er und beobachtete mit aufrichtigem Interesse, wie ich mich in Richtung der Verandatüren in Bewegung setzte. »Das hat sie auch gesagt.« Ihre Stimme klang verletzt und anklagend, als wäre ihr Bruder zur Gegenseite übergelaufen.
    »Tatsächlich?«
    Er versperrte mir den Weg nach draußen, wohin es mich so unwiderstehlich zog. »Stimmt das, Molly? Du hast neuerdings deinen eigenen Kopf?«
    Selbstverständlich besaß ich einen eigenen Kopf, eine für jedermann deutlich sichtbare Tatsache, weshalb ich Tad einen Moment lang für einfältig hielt, bis mir dämmerte, daß er sich auf den Kontrollfaktor bezog, der bei mir abrupt und ohne ersichtlichen Grund verschwunden zu sein schien. Mir war als einzige Gewißheit geblieben, daß alles sich verändert hatte und ich mich nur auf mich selbst – ein neues und unzureichendes Konzept – verlassen konnte. Verschlimmert wurde diese frustrierende Situation durch die Tatsache, daß ich in meinen Ausdrucksmöglichkeiten immer noch dem Zwang der ursprünglichen Konditionierung unterlag. Als Tad, der mein Gesicht nicht aus den Augen gelassen hatte, seine Frage wiederholte, konnte ich nichts anderes sagen als: »Wie Sie wünschen, Gebieter«, was die automatische Standardantwort aller Einheiten auf jede indirekte oder – wie in diesem Fall – rhetorische Frage war. Wie unbefriedigend! In meinem Innern lärmte ein Chor von Fragen, die ich stellen wollte: Hatte man mich mit einem experimentellen Programm gefüttert? Und wenn ja, warum? Ich konnte mich an keine Neuprogrammierung erinnern, und wenn mein Bewußtsein durch irgendeinen unbegreiflichen Vorgang in die Lage versetzt worden war, meine Konditionierung außer Kraft zu setzen, welchen praktischen Nutzen sollte das haben? Keinen, den ich zu erkennen vermocht hätte, außer, mich in einen Strudel von Gedanken und Gefühlen zu stürzen, die nur dazu dienten, mich zu überrumpeln und zu verwirren. War ich vorher nicht besser dran gewesen?
    Tad, der sich des in mir tobenden Konflikts bewußt zu sein schien, beobachtete mich mit unvermindertem Interesse. Ich versuchte, seinen Blick zu erwidern, doch wurde meine Aufmerksamkeit statt dessen von den fettigen, roten Erhebungen überall auf seinem Gesicht gefesselt, die mich sowohl faszinierten wie auch abstießen. Um keinen falschen
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