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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin
Autoren: Stephen Fine
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prickelnde Erdbeer-Zitronen-Aroma des Lufterfrischers und bewunderte hingerissen die Fische in dem Aquarium an der gegenüberliegenden Wand: funkelnde Edelsteine in einem Quecksilberteich. Die Möbel wirkten so plastisch, daß ich den Eindruck hatte, sie müßten zum Leben erwachen, und einen Atemzug lang bildete ich mir wahrhaftig ein, einen dicht neben mir stehenden Beistelltisch aus imitiertem Mahagoni reden zu hören. Er bat mich, ihm ein Butterbrot zu streichen – eine Schnitte mit Erdnußbutter und Marmelade, um genau zu sein.
    Dann merkte ich, daß ich einer Sinnestäuschung erlegen war. Die kleine Beverly war ins Zimmer gekommen und hatte sich gegen den Tisch gelehnt, etwa wie eine exotische Wasserpflanze gegen ein Korallenriff. Ihr rosiges, keckes Gesicht drückte Verlangen nach Nahrung aus. Ich war derart fasziniert von der unglaublichen Dichte und Kohäsion ihrer Molekularstruktur sowie der sprühenden und überschäumenden Lebenskraft, die sie ausstrahlte, daß ich sie nur wortlos anstarrte, während meine Augen sich auf die neuen Gegebenheiten einstellten und allmählich ihre Gestalt von dem sie umgebenden Raum und den übrigen Gegenständen zu unterscheiden lernten. Daß ich nicht reagierte, ärgerte sie. »Mo! Ich habe gesagt, ich will ein Mar-me-la-den-brot!« Sie faßte meine Hand und versuchte, mich vom Sofa zu ziehen. »Ja, Fräulein Beverly«, erwiderte ich mit einem unterwürfigen und automatischen Lächeln und stand auf, doch kaum daß ich einen Schritt in Richtung Küche getan hatte, erregte das schimmernde Porträt einer jungen Frau an der gegenüberliegenden Wand des Wohnzimmers meine Aufmerksamkeit.
    Die betreffende Dame schien eine intelligente junge Gebieterin von großem Reichtum, ebensolcher Eleganz und hohem Stand zu sein. Sie war eine Schönheit, Anfang Zwanzig, mit bernsteinfarbenem, im Nacken zu einem Knoten geschlungenen Haar, was die hohe Stirn und die aparten Wangenknochen aufs vorteilhafteste zur Geltung brachte; ihre Augen strahlten in tiefem Blau, und die makellos proportionierte Nase endete in einer leicht oval geformten Einbuchtung, die mit dem Amorbogen der Oberlippe verschmolz. Der Mund war fein gezeichnet, sinnlich und verrucht, das Kinn aristokratisch. Ich wußte nicht, wo, aber ich war sicher, sie schon einmal gesehen zu haben. Sie war jünger als Gebieterin Locke und wesentlich attraktiver. Ich konnte mir nichts anderes denken – ein mir immerhin gänzlich neuer Prozeß –, als daß es sich bei ihr um eine Verwandte oder Freundin der Familie handeln mußte oder um irgendeine Berühmtheit.
    Beverly riß mich aus meiner Versunkenheit, indem sie etwas Unverständliches in meine zu neuer Empfindsamkeit gelangten Ohren schrie. Dadurch an meinen Auftrag erinnert, tat ich einen zweiten Schritt in Richtung Küche, doch sogleich ahmte das Bild meine Bewegung nach und verschwand aus dem Rahmen. Verdutzt blieb ich stehen und ging zurück, um es erneut anzuschauen. Es schaute zurück, und mit einem Schlag wurde mir klar, daß ich vor einem Spiegel stand. Eine äußerst angenehme Sinnestäuschung, dachte ich, denn wie konnte ich die Gebieterin im Spiegel sein? Oder hatte ich all die Zeit keine Augen gehabt zu sehen und war diese Erscheinung deshalb nicht ein Beweis für beginnenden Wahnsinn, sondern vielmehr ein getreues Abbild der Wirklichkeit? Wenn ja, war es höchste Zeit, daß ich wieder den mir gebührenden Platz einnahm. Entweder hatte irgend jemand einen schrecklichen Fehler gemacht, oder ich war das Opfer eines absichtlichen Betrugs. Falls letzteres zutraf, dann hatte das Spiel lange genug gedauert.
    Von solchen Gedanken in Anspruch genommen, trat ich dicht vor den Spiegel, um mein Gesicht einer genauen Betrachtung zu unterziehen, und kam nach eingehender Inspektion zu dem Schluß, daß es tatsächlich das Gesicht eines Menschen war, denn ich konnte keine Nahtstellen oder plumpe Konturen feststellen, und die Haut fühlte sich weich und glatt an, nicht künstlich wie die Haut des Sears. Ich strich mit den Fingerspitzen über meine Wangen, Lippen und das Kinn, dann, zum Vergleich, streichelte ich Beverlys Wange. Ihre Haut war zarter, aber sonst merkte ich keinen Unterschied. Ich hatte nicht geahnt, daß das Experiment sie erzürnen könnte. Sie biß mir tatsächlich in den Daumen.
    Obwohl ich keinen Schmerz empfand, verursachten ihre scharfen Zähne rotunterlaufene Bißspuren, die unschön von meinem seidigen braunen Teint abstachen. Der Angriff sollte wohl die
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