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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin
Autoren: Stephen Fine
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Eindruck zu erwecken, möchte ich hinzufügen, daß er davon abgesehen ein hübscher Junge war und, wie ich später erfahren sollte, nicht unintelligent. Schon jetzt blitzte ein Funke jener Kameradschaftlichkeit in seinen Augen, die eine so entscheidende Rolle in meiner Geschichte spielen sollte – und nicht immer zu meinem Vorteil, trotz (oder gerade wegen) seiner noblen Absichten. Damals allerdings konnte ich an diesem schlaksigen, siebzehnjährigen Jüngling nicht mehr feststellen als eine aufdringliche und übertriebene Anteilnahme, gekrönt von einer akuten Akne. Und noch schlimmer, er stand mir im Weg.
    »Was hast du für Wünsche, Molly?« fragte er und bediente sich dabei meiner eigenen Worte.
    Wünsche? Ein P9? Na, das war tatsächlich ein Hammer. Was blieb mir übrig als die Standardantwort, aber er winkte ab. »Das genügt mir nicht, Molly. Was geht in deinem Kopf vor?« Und dann, damit Beverly es nicht hören konnte, trat er dicht an mich heran und flüsterte mir ins Ohr: »Du kannst mir vertrauen.«
    »Ich bin ein interplanetar zugelassener Pirouet 9, Hauswirtschaftsmodell; Herstellungsdatum 15. November 2069; Seriennummer P9H D20-XL17-504.« Das war die einzige Art von Identität, mit der ich aufwarten konnte, dennoch hatte ich den Eindruck, daß Tad an meiner Aufrichtigkeit zweifelte.
    »Bist du sicher?«
    »Ich denke.«
    »Du … denkst?«
    »Ja«, antwortete ich, um sofort, von Verwirrung gepackt, zu widerrufen. »Nein.« Auch das war nicht akzeptabel. »Ja.« Dann wieder: »Nein.« – »Ja.« Und so wäre es ad infinitum weitergegangen, hätte er mich nicht kurzentschlossen nach draußen bugsiert, eine glänzende, längst überfällige Idee, denn der Wechsel der Umgebung nahm den Druck von meinem überlasteten Verstand, während meine Sinne mit neuen Wundern überflutet wurden. Er öffnete sogar die Festlufttüren für mich, was seine Schwester regelrecht entsetzte. Sie erinnerte ihn daran, daß es meine Aufgabe war, ihnen die Türen zu öffnen und nicht umgekehrt, und sie machte keinen Hehl daraus, daß wir ihrer Meinung nach beide total außer Kontrolle geraten waren. Was kümmerten mich ihre Beleidigungen! Ich war vollauf damit beschäftigt, mich an dem betörenden Grün des sanft abfallenden und tadellos gemähten Rasens zu weiden.
    »Was hat sie gemacht, ihren Chef abserviert?« erkundigte sich das kleine Fräulein, worauf ihr Bruder gedankenverloren vor sich hin murmelte: »Das wäre allerdings ein starkes Stück.« Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte den Chef nicht erwähnt, weil diese Bemerkung wieder eine der infernalischen Produktinformationen auslöste: »Der Pirouet 9 nimmt aufgrund seines universellen Überwachungs- und Steuerungssystems eine Sonderstellung unter den Androiden der neunten Generation ein. Sämtliche Einheiten der Pirouet-Familie unterstehen der Aufsicht des Zentralen Zensors, kurz: Chef. Sollten Sie weitere Informationen über diesen revolutionären Fortschritt in der Androidenforschung wünschen, wenden Sie sich bitte an Ihren örtlichen Pirouet-Händler, der Sie gerne beraten wird.«
    »Vielen Dank, Molly«, sagte Tad ganz ernsthaft.
    Ich fühlte mich verlegen und wandte rasch den Kopf, um seinem forschenden Blick zu entgehen, doch wurde ich das unheilvolle Gefühl nicht los, daß zwischen meinem neu erwachten Bewußtsein und der ursprünglichen Programmierung der Kriegszustand ausgerufen war. Die Situation wurde zunehmend problematisch.
    »Sieh mal, Bev: Molly kann ihren Chef nicht abservieren, weil sie anders funktioniert als die gewöhnlichen Androiden. IBMs, Sonys, Apples, General Androids, Sears, Daltonis, Cyberenes, DuPonts – sie alle sind mit internen Standardzensoren ausgestattet. Doch es gibt nur einen Chef für all die Millionen von P9 im Sonnensystem. Er ist in einem Orbiter irgendwo zwischen hier und dem Mars stationiert. Kapiert?«
    »Ja. Aber was ist dann mit ihr passiert?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht ist sie einfach … aufgewacht.«
    »Oh. Sie hat geschlafen?«
    Tad lachte. Ich konnte mir nicht vorstellen, weshalb; es interessierte mich auch gar nicht. Meine Aufmerksamkeit galt einzig dem weitläufigen, zweistöckigen Haus im Denver-Stil, auf dessen Veranda wir standen. Wie alles, was ich seit dem Vorfall auf der Wohnzimmercouch zu Gesicht bekommen hatte, war das Gebäude vertraut und gleichzeitig völlig verändert. Was zuvor ein nichtssagendes, rechtwinkliges Gefüge aus Dach, Mauern und Fenstern gewesen war, erschien mir nun wie ein dem
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