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Mein Ist Die Nacht

Mein Ist Die Nacht

Titel: Mein Ist Die Nacht
Autoren: Andreas Schmidt
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sogar die Beine und zeigte diesem Heini das, was nur ihm
gehören sollte. Es gab Männer, die es anmachte, wenn
andere Kerle ihre Frauen nackt sehen konnten. Alle durften sie
ansehen, aber nur sie allein durften mit ihnen vögeln. Der
Gedanke daran machte diese Männer scharf.
    So war er
nicht.
    Er liebte Mandy, und
er wollte sie für sich allein. Wäre es anders gewesen,
hätte er ihr ihren Wunsch, sie in den Swingerclub zu
begleiten, nicht abgeschlagen. Er wollte sie nicht teilen
müssen. Sie hatte ihm beigepflichtet. Natürlich wollte
sie ihm allein gehören, natürlich verstand sie seine
Eifersucht.
    Warum, verdammt noch
mal, hatte sie sich dann heute Nacht anders verhalten? Er verstand
sie manchmal einfach nicht. Wütend hieb er auf den
Lenkradkranz und zerquetschte einen Fluch zwischen den Lippen. Die
Frau, die er seit vier Monaten über alles liebte, war eine
Exhibitionistin. Er liebte es, wenn eine Frau ihm alle sexuellen
Wünsche erfüllte und auch selbst gern die Initiative
ergriff. Nie zuvor hatte er eine leidenschaftlichere Liebhaberin
kennen gelernt.
    An allen erdenklichen
Orten hatten sie es getrieben. In der Umkleidekabine eines
Modehauses, in einem Kölner Kaufhaus, in der Toilette ihrer
Lieblingsbar in der Düsseldorfer Altstadt, im Auto,
draußen auf dem Messegelände in Essen, in einer der
letzten lauen Sommernächte am Ufer des Baldeneysees. Er war
süchtig nach ihr, und dennoch bezweifelte er in diesem
Augenblick, ob Mandys offener Umgang mit Sex ihrer Partnerschaft
wirklich gut tat. Tom verfing sich in seinen Gedanken. Immer wieder
spielte er mit der Idee, einfach den Wagen zu wenden, zurück
in die Stadt zu fahren und sie aus den Klauen dieses
verrückten Fotografen zu befreien. Doch etwas hinderte ihn
daran. Längst schon waren die Hinweisschilder auf
Düsseldorf an ihm vorüber geflogen. Einzelne,
spärlich beleuchtete Häuser schälten sich als letzte
Zeichen der Zivilisation in immer größer werdenden
Abständen aus der Dunkelheit. Ansonsten nur Schnee und diese
trübe Einsamkeit, die ihn wahnsinnig machte.
    Frustriert starrte er
auf die Rücklichter des polnischen Lasters vor ihm. Es wurde
Zeit für einen Tankstopp. Inzwischen war die Nadel der
Tankanzeige tief im roten Bereich gelandet. Nervös klopfte er
gegen das Glas, so, als könnte er damit bewirken, dass sich
die Nadel noch einmal bewegte.
    Er sehnte sich nach
Licht, nach Wärme, nach Menschen. Er fragte sich, ob es in
dieser Einöde keine Tankstelle gab, die Tag und Nacht
geöffnet hatte, und fuhr weiter in die Dunkelheit
hinein.
    Irgendwo würde er
anhalten und einen Kaffee trinken. Vielleicht würde er in der
Gesellschaft von Menschen auf andere Gedanken kommen. Als er auf
die Tanknadel im Armaturenbrett schielte, stellte er fest, dass der
Zeiger jetzt bereits am Rand des roten Bereiches kratzte. Nun wird
es aber höchste Zeit, dachte er. Der Schneefall wurde dichter.
Ein verdammtes Scheißwetter, er war hundemüde, musste
morgen früh zur Arbeit, und seine Freundin zeigte sich einem
wildfremden Kerl nackt. Was war das bloß für eine
Scheiße?

 
    3
    19.35
Uhr
    Das Atelier lag direkt
neben dem Wohnzimmer. In den gut zehn Quadratmeter großen
Raum gelangte man nur über eine einzige Tür, die
ebenfalls vom Korridor her abzweigte. Sie stand etwas unsicher im
Türrahmen und betrachtete Clays Atelier. Die Fenster waren mit
blickdichten schwarzen Tüchern verhüllt. Auch die
Wände waren schwarz gestrichen. Die einzigen Lichtquellen
waren Kerzen, die in fünfarmigen Haltern steckten. Das
zuckende Licht der Flammen ließ den Raum unheimlich
erscheinen. Lange Schatten geisterten über die Decke und den
Dielenboden. Möbel gab es keine; nur in der Mitte des Raumes
stand eine Pritsche, die mit dunklem Stoff abgehängt war -
möglicherweise versteckte sich ein ganz normaler Esstisch
darunter.
    Erst jetzt entdeckte
Mandy einen Sessel, der in einer Ecke des Zimmers stand. Vermutlich
würde sie sich gleich auf diesem Sessel räkeln
dürfen. Sie spürte, wie die Aufregung wuchs. Die Stimmung
in Clays Atelier war bedrückend und gleichermaßen
anregend. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Schwer hing der
süßliche Duft der schwarzen Kerzen in der
Luft.
    Mandy atmete tief
durch und fühlte sich benebelt. Sie gab dem zu schnell
getrunkenen Whisky die Schuld daran und nahm sich vor, bei
künftigen Shootings nur noch alkoholfreie Getränke zu
sich zu
nehmen.         
    Die technische
Ausstattung von Clays Atelier hielt sich in Grenzen.
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