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Mein Ist Die Nacht

Mein Ist Die Nacht

Titel: Mein Ist Die Nacht
Autoren: Andreas Schmidt
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Dunkelheit, starrte mit geröteten Augen in die
Schneeflocken, die vor der Motorhaube seines Astra Kombi einen
wilden Tanz aufführten. Er hatte sich dafür entschieden,
die Stadt über die viel befahrene Gathe und die Uellendahler
Straße zu verlassen, die nach Norden führte. Einen
Augenblick lang hatte er ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, sich
in den vorweihnachtlichen Trubel der Elberfelder Innenstadt zu
stürzen. Doch allein die Vorstellung, stundenlang für
einen Parkplatz anzustehen, hatte den Gedanken zu einer
Horrorvorstellung reifen lassen. Beim Autofahren konnte er sich am
besten ablenken. Die letzte Tankstelle hatte rechts vor einem
Kreisverkehr gelegen. Die Lichter waren aus, der Tankwart hatte es
vorgezogen, seinen Feierabend gemütlich zu Hause zu
verbringen.
    Er ärgerte sich,
denn die Tanknadel näherte sich bedenklich dem roten
Bereich.
    Also weiter und
hoffen, dass er eine Tankstelle fand, die noch nicht geschlossen
hatte. Autobahntankstellen hatten Tag und Nacht geöffnet, und
die Straße verlief parallel zur A 46. Wenn er den Kopf nach
rechts wandte, konnte er dort immer die Lichter der
entgegenkommenden Fahrzeuge in der Dunkelheit ausmachen. Als er das
blaue Hinweisschild sah, setzte er den Blinker und nahm die
nächste Autobahnauffahrt. Nachdem er die langgezogene Kurve
vorsichtig passiert hatte, stellte er erleichtert fest, dass der
Winterdienst in den Schneematsch der rechten Fahrspur bereits eine
Schneise geschoben hatte. So ordnete er sich hinter einem LKW mit
polnischem Kennzeichen ein und zuckelte mit knapp siebzig
Stundenkilometern hinter dem Sattelzug her, dessen Aufbau vor dem
Opel wie eine Mauer in den Himmel zu ragen schien. Schnee pladderte
von der Plane des Aufliegers und klatschte gegen den Wagen. Er
fluchte wild und vergrößerte den Abstand.
    Nach ein paar Minuten
kreisten seine Gedanken wieder um Mandy. Auf den letzten Kilometern
hatte er mehrmals den Plan gefasst, einfach umzudrehen, um sie aus
der Wohnung dieses seltsamen Fotografen zu holen, sie einfach von
diesem notgeilen Bock wegzubekommen. Thomas Belter bezweifelte
keine Sekunde, dass dieser Kerl alles andere als seriös war.
Wer sein Model nach Einbruch der Dunkelheit bis tief in den Abend
hinein zu einem Shooting in eine offenbar leerstehende Fabrik in
der dunkelsten Gegend von Wuppertal bestellte, war alles andere als
normal.
    Warum hatte sie nicht
auf ihn gehört?
    Er hasste ihren Trotz,
wurde jedes Mal wütend, wenn sie ihm leichtfertig blinde
Eifersucht unterstellte, sobald er sich um sie sorgte.
Natürlich passte es ihm nicht, wenn sie sich vor den Augen
eines anderen Mannes auszog, um für ihn zu posieren.
Natürlich schnürte sich ihm die Kehle zu, wenn er daran
dachte, dass seine Freundin anderen Kerlen als Wichsvorlage
diente.
    Er liebte sie. Und er
wollte sie nicht mit fremden Typen teilen.
    Auch der Vorwand, es
seien doch nur Fotos, stimmte ihn nicht milde. Es waren aufreizende
Posen, Posen, die bei Männern die Phantasie
anregten.
    Natürlich, sie
verkaufte nicht ihren Körper.
    Doch, schrie alles in
ihm. Natürlich verkaufte sie ihren Körper. Nein,
natürlich war sie keine Nutte, natürlich trieb sie es
nicht mit allen Männern, die sie nackt sehen konnten. Aber
allein der Gedanke, dass die Burschen, die sie so sehen konnten,
sich an seiner Freundin aufgeilten, allein dieser Gedanke kotzte
ihn an.
    Diesmal war es anders.
Er hatte einfach nur Angst um Mandy. Er wusste, dass mit diesem
seltsamen Fotografen etwas nicht stimmte. Das dumpfe Gefühl
tief in ihm hatte nichts mit Eifersucht zu tun. Es war die Sorge,
dass dieser Typ ihr etwas antun könnte. Immerhin war sie
allein mit ihm in seiner Wohnung, die in einem zwielichtigen
Viertel der Stadt lag. Selbst wenn sie schrie, niemand würde
sich um ihr Geschrei kümmern, soviel stand für ihn fest.
Die Gegend, in der er sie abgeliefert hatte, wurde von
Kriminalität und organisiertem Verbrechen beherrscht.
Kleinkriege, Schlägereien und Schreie waren alltäglich in
diesem Viertel. Bei dem Gedanken daran, dass ihr dort etwas
zustoßen konnte, schnürte sich ihm die Kehle
zu.
    Das Viertel,
beherrscht von unzähligen verschiedenen Kulturen und von
Arbeitslosigkeit, war ein Schmelztiegel des Verbrechens. Vermutlich
würde es nicht einmal auffallen, wenn er sich an ihr verging
und sie um Hilfe rief. Der Kerl hatte freie Bahn.
    Diese Gedanken
quälten ihn. Was sie jetzt gerade wohl tat? Sicherlich
räkelte sie sich nackt vor seiner Linse, vielleicht spreizte
sie
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