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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod
Autoren: Gert Heidenreich
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deutlich vernehmbar:
    Ich weiß, dass hier von sehr kompetenten Kollegen nach allen Kräften gearbeitet wird. Das kann Ihnen auch Frau Bossi vom Bundeskriminalamt bestätigen, und die ist bestimmt nicht voreingenommen. Sie muss auch hier irgendwo sein.
    Das bestätige ich gern.
    Michaela Bossi hatte, von Swoboda unbemerkt, direkt hinter ihm dem Gespräch zugehört. Sie reichte Ehrlicher die Hand.
    Wir haben es aber mit einem Täter zu tun, in dem sich Wahnvorstellungen, Intelligenz, Bildung und kriminelle Energie verbinden. Und das, Herr Oberbürgermeister, ist eine unheilvolle Mischung, die es uns äußerst schwer macht, ein Profil von ihm zu entwickeln. Vielleicht ist er sogar hier. Ich bin sicher, es dauert nicht mehr lange, und wir haben ihn. Also, beruhigen Sie Ihre Stadt: Die Polizei tut alles, was in ihrer Macht steht.
    Scheint nicht auszureichen, sagte Ehrlicher, wandte sich ab und begrüßte ein paar Schritte weiter den Direktor des Eichendorff-Gymnasiums. Günther Korell, der nah genug stand, um zu hören, was Frau Bossi zu Ehrlicher gesagt hatte, hielt in der einen Hand ein Glas Wasser, in der anderen seine schwarze Gedichtmappe. Er schien ganz auf seinen Auftritt konzentriert zu sein und kaum etwas um sich herum wahrzunehmen. Als Martina Matt mit einer schweren Messingglocke läutete und zur Begrüßung ansetzte, blickte er auf.
    Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen, für Ihr Interesse, für Ihre enorme Kauflust, ja, im Ernst, Sie wissen nur noch nicht, dass in unseren unsicheren Zeiten Kunst als eine der wenigen sicheren Geldanlagen gilt, und bei Chagall können Sie nichts falsch machen. Die Aquatinta-Radierungen zu La Fontaines Fabeln sind signiert schon nicht mehr alle frei am Markt. Ich bin sicher, dass der eine oder die andere sich in den nächsten Tagen bei mir melden wird! – Wie Sie wissen, begleite ich meine Ausstellungseröffnungen gern mit Literatur, und für heute darf ich Ihnen einen Lyriker ankündigen, den einige von Ihnen kennen, er lebt in unserer Stadt, meine Edition hat bereits einen Gedichtband von ihm verlegt, den Sie hier auch erweben können, Günther Korell wird ihn gewiss gern signieren. Freuen Sie sich mit mir auf seine neuen Gedichte!
    Nach dem Beifall, unter dem Korell sich zum hinteren Ende der Galerie durchschob, machte die Galeristin vorsorglich darauf aufmerksam, dass die Lesung nur zwanzig Minuten dauern werde.
    Wer dennoch sitzen möchte: Hier vorn sind jede Menge Klappstühle, man nehme sich!
    Einige Besucher, vorwiegend ältere Damen, setzten sich im Halbkreis vor den Tisch mit Leselampe, hinter dem Korell Platz nahm. In zweiter Reihe stand Wilfried Herking, starrte auf den Stapel unverkaufter Gedichtbände neben dem Autor und überlegte, ob es sich lohnte, Notizbuch und Druckbleistift aus der Tasche zu ziehen. Er entschied sich, die Arme vor der Brust zu verschränken.
    Swobodas Telefon brummte, er drängte sich durch die Stehenden zur Tür und ging hinaus.
    Es war Törring, der ihm berichtete, dass Aminata noch immer nicht heimgekehrt war, und Freya verlangte, sie polizeilich suchen zu lassen. Das verstieß gegen die übliche Wartezeit, nach der die Polizei für vermisste Erwachsene aktiv wurde. Andererseits war nach dem nächtlichen Anschlag nichts mehr wie üblich.
    Was hast du für ein Gefühl, Turbo?, fragte Swoboda.
    Kein gutes. Wir haben die Taxifahrer bereits durchgefragt. Keiner hat sie gefahren.
    Lässt dir dein Gefühl Zeit bis morgen früh?
    Eher nicht.
    Dann macht euch auf die Suche. Du kennst meine Einstellung. Regeln sind gut, Nase ist besser. Ich bin noch hier bei der Vernissage. Und danke, dass du mich informiert hast.
    Als er die Galerie leise wieder betrat, hatte Korell bereits einige seiner Gedichte gelesen. Nur in den ersten Reihen fand er aufmerksame Zuhörer, etwas weiter hinten verstand man ihn kaum, einige unterhielten sich, andere liefen von Bild zu Bild. Durch die Unruhe sprach er schneller, wodurch man noch weniger verstand. Schließlich kündigte er die beiden letzten Gedichte an, und man konnten die allgemeine Erleichterung spüren.
    Beifall. Korell stand auf und verneigte sich. Keiner kaufte den alten Band. Die Gläser wurden neu gefüllt.
    Martina brachte ihm einen Weißwein, er lehnte ab: Ich habe Freya versprochen, früh zu Hause zu sein, du weißt, sie ist unruhig seit dem Überfall.
    Das verstehe ich gut. Schön, dass du heute auch das Gedicht Liebe ist Summe des Lebens gelesen hast, es hat immer noch keinen Titel?
    Nein. Ich
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