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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod
Autoren: Gert Heidenreich
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weiß selbst, dass der Anschlag nicht Frau Radványi galt.
    Dorina stand auf. Ist vielleicht weggefahren? Hat Angst und ist weg? Ich sehe nach.
    Sie lief aus dem Zimmer, bevor Freya sie zurückhalten konnte. Weil sie die Tür zur Diele zu schließen vergaß, entstand ein leichter Luftzug, der die Gardinen vor der offenen Terrassentür bewegte. Aus dem Garten zog ein schwacher Duft von Flieder in den Raum. Man hörte ein Auto über den Kies auf der Vorderseite des Hauses rollen, die dumpfen Schläge von Wagentüren, dann rief Korell in der Diele:
    Bin wieder da!
    Seine Stimme klang fröhlich. Swoboda sah ihn am Türausschnitt vorübergehen, zur Küche, zwei Einkaufstüten in den Händen.
    Ich tu das Zeug nur schnell in den Kühlschrank. Morgen gibt’s Ossobuco!
    Dorina Radványi kehrte zurück, außer Atem, sie war vom Kutscherhaus heraufgerannt und sagte, ohne gefragt zu sein: Nein, ihre Sachen sind im Zimmer zu sehen, sämtlich, es fehlt an nichts.
    Wo fehlt es an nichts?
    Korell trat durch die Seitentür in den Salon, lief auf Freya zu, beugte sich zu ihr hinunter und deutete eine Umarmung an.
    Wir warten auf Aminata, sagte sie.
    Ist sie nicht hier? Er stellte sich Swoboda vor und begrüßte Törring.
    Ich hab sie doch vor einer halben Stunden gesehen, sie ist in ein Taxi gestiegen, am Hotel Korn . Wohin ist sie gefahren?
    Sie wollte spazieren gehen, sagte Freya.
    Dann hab ich mich getäuscht. Bestimmt habe ich mich getäuscht, ich bin heute so aufgeregt, Sie kommen doch zu meiner Lesung heute Abend?
    Swoboda nickte, Rüdiger Törring sah auf den Boden. Korell fixierte ihn.
    Herr Kommissar, ich sehe, Sie haben kein Vertrauen zur Poesie. Aber ich verspreche Ihnen, wenn Sie zur Vernissage kommen, werden Sie überrascht sein, wie sehr Gedichte auch in Ihrem Beruf helfen können! Sie erweitern die Phantasie, locken Sie weg von den festen Wegen, sie machen Ihren Kopf frei für das Unwahrscheinliche, das Ungedachte, das Unvorhersehbare, ich lade Sie ein zur Stärkung Ihrer Vorstellungskraft! Vielleicht schnappen Sie dadurch endlich diesen scheußlichen Frauenmörder.
    Eben der lässt mir im Moment keinen freien Abend, aber ich will sehen, was ich tun kann, sagte Törring und stand auf. Swoboda erhob sich gleichzeitig.
    Törring machte einen Diener. Für heute wär’s das, Frau Paintner, ich bin jederzeit für Sie zu sprechen. Herr Swoboda bestimmt auch.
    Der soll malen, sagte Freya. Ich überlege, bald was Neues zu kaufen. Also!
    Swoboda lachte. Im Moment bin ich noch mit der Auferstehung befasst.
    Na, damit hab ich es nicht so eilig, sagte sie. Zugleich fiel ihr auf, dass Korell bei dem Wort Auferstehung zusammenzuckte.
    Als der Kriminalhauptkommissar und sein ehemaliger Vorgesetzter das Haus verließen und die Stufen vor dem Eingangsportal hinuntergingen, legte Swoboda Törring die Hand auf die Schulter.
    Das war sehr gut. Ich meine, es war eigentlich nicht schwierig, aber oft ist gerade das, was nicht schwierig ist, nicht so leicht. Oder?
    Törring blieb stehen, sinnierte, ob sein ehemaliger Chef ein Lob oder eine Gemeinheit ausgesprochen hatte, und sah zu ihm hinunter auf den Vorplatz, wo er um Korells Wagen herum lief, sich bückte und die Räder betrachtete.
    Guck dir das an, rief er zu Törring hinauf, was der für Dreck an den Reifen hat! Wo kauft der denn ein?
    Aminata erwachte aus einem Traum, in dem ihr ein Mann mit seiner Hand die Lippen zusammenpresste.
    Sie öffnete die Augen, blickte ins Halbdunkel, aber der Traum verging nicht. Es war keine Hand, die ihre Lippen verschloss. Ein breites Gewebeband, das über die untere Hälfte ihres Gesichts und um den Hinterkopf herum geklebt war, ließ die Nasenlöcher frei und machte jede Kieferbewegung unmöglich. Der dumpfe Schmerz zwischen ihren Schläfen blockierte ihre Erinnerung. Da sie mit den Augen nicht erkunden konnte, wo sie war, versuchte sie, die Geräusche wahrzunehmen. Wasser. Wellen glucksten gegen etwas. Langsam kamen die letzten Bilder zurück, die sie wahrgenommen hatte:
    Auf der Bank vor dem Fischerhaus in der Sonne. Korell reichte ihr eine Flasche Mineralwasser.
    Von da an das Abgleiten in die Undeutlichkeit.
    Sie lag auf dem Rücken. Den Kopf konnte sie heben. Die Arme waren vom Körper gespreizt und an den Fußboden gefesselt. Sie spürte unter ihren Fingern Holz. Ihre Beine waren zusammengeschnürt und wie die Handgelenke an den Boden fixiert. Sie versuchte, die Beine anzuziehen. Es gelang nicht.
    Erst jetzt stieg Angst in ihr auf. Sie wollte
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