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Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch
Autoren: Ralph Giordano
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Wagen, ich steige aus und trete an einen Abhang. In der Luft, nur zu hören, Möwen; ein gähnender Schlund, fünfzig, sechzig Meter tiefer das Meer und auf halber Höhe, im Dunst, eine Ruine - Rest der wire Station, der alten Kabelstation, von Stacheldraht umgeben. Das hat etwas an sich von der Gnadenlosigkeit des technischen Fortschritts.
    Wir fahren Perry zurück zu seinem Haus, er verabschiedet sich, winkt und ist verschwunden.
    Draußen ist die Hand nicht vor Augen zu sehen, der alte Ford röhrt im ersten Gang.
    Den Stock aufgerichtet in der rechten Hand, sagt Maureen: »Der hat dir heute mehr erzählt als mir das ganze Leben über.« Dann lehnt sie sich zurück und schließt die Augen.
    Und plötzlich begreife ich. Mit dieser Begegnung hat Maureen mir Zugang zu einem inneren Kreis verschafft, in den niemand von sich aus eindringen könnte. Es bedurfte eines langen Anlaufes, ehe sie dazu bereit war, nämlich der ganzen gemeinsamen Vorgeschichte meines ersten Aufenthalts im März und April. Der Weg zu Perry war ein Zeichen ihrer gewachsenen Verbundenheit, etwas Uneroberbares, nur freiwillig zu gewähren, kostbar in seiner Herzensöffnung und sozusagen für mich der zweite Ritterschlag unserer Freundschaft.
     
    Am nächsten Morgen um neun Uhr klopft es an die Tür, und Maureen tritt ein, natürlich ohne Stock. Wir trinken einen Tee, und ich bitte sie, nachzuschauen, ob ich alles so hinterlassen habe, wie es sich für einen dankbaren Gast gegenüber den Gastgebern geziemt, erst recht, wenn sie so fern sind wie diese. Sie verspricht es.
    Vom Nebel keine Spur mehr, schönstes Sommerwetter.
    Ich will Maureen zu ihrem Haus begleiten, aber sie weigert sich. So verabschieden wir uns auf der seeabgewandten Seite des Hauses am Kliff. Umarmung - »God bless you«. Es macht mir nicht die geringsten Schwierigkeiten, die drei Worte an sie zurückzugeben. Dann die Rampe hoch mit meiner alten Kiste, oben auf dem Weg noch einmal Halt und umgeschaut.
    Weit hinten die drei Inseln, der Stier, die Kuh und das Kalb; hier vorn, in der klaren Luft näher als sonst, Skellig Michael und Litde Skellig, sonnenbeschienen, wie der Doppelhöcker von Puffin Island. Und da unten, vor der Haustür, ohne Stock, weil sie beide Hände mit den Flächen nach außen erhoben hat - Maureen Griffin. Dann nehmen die Fuchsien mir die Sicht.
     
    Postscriptum:
    Während der Niederschrift des Buches, Monate nach dem Abschied, klingelte in Köln mein Telefon. Am anderen Ende -unverwechselbar, Maureens Stimme: »I have just got the connection!« Nach mehrjährigem Warten - »the irish way of life, hopeless« - war gerade ihr Anschluß hergestellt worden, und dies sei ihr erstes Gespräch. Wie es um mein Buch stünde?
    Ich traute meinen Ohren und Sinnen nicht.
    Klar, daß ich, nachdem ich das Manuskript heute früh abgeschlossen habe, Maureen gleich anrief und ihr davon Kenntnis gab. »Congratulations, my dear «, sagte sie.
    Der Tag hat also gut angefangen - besser geht es gar nicht.
     

 
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