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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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sich plötzlich außerhalb meines Blickfelds. »Ich kann dich nicht sehen«, brülle ich, und sie schwenkt gereizt zurück.
    »Edgar, kannst du das Buch hinstellen?«, bittet sie.
    Ich klammere mich an der Felswand fest, als Edgar mich auf die Seite kippt und mir die Spitzen eines durchhängenden k in den Rücken rammt, bevor er mich wieder aufrichtet.
    »Können wir bitte schnell machen?«, fragt er. »Ich will weiterspielen.«
    Ich weiß, dass Delilah auch einen Computer besitzt – sie hat diesen Begriff mir gegenüber erwähnt, und ich habe das leise Klicken gehört, wenn sie mit den Händen irgendetwas mit diesem Ding gemacht hat, gesehen habe ich es allerdings noch nie. Da ist ein riesiges Fenster, auf dem Bilder schweben, und über eine Art Nabelschnur ist es mit etwas verbunden, das wie ein offenes Buch aussieht. Darauf stehen in Reih und Glied sämtliche Buchstaben des Alphabets, aber in einer fremden Sprache, die ich nicht lesen kann.
    Delilahs Finger bewegen sich über dieses merkwürdige Buch und dann tauchen auf dem Fenster wie durch Zauberhand Buchstaben auf. »Das ist unglaublich«, rufe ich. »Davon muss ich Orville erzählen!«
    Delilah scheint mich nicht zu hören. »Die Datei lässt sich nicht öffnen. Sie ist mit einem Passwort verschlüsselt. Es hat fünf Buchstaben.«
    »E-D-G-A-R«, schlage ich vor.
    Delilah schreibt das Wort und drückt dann eine andere Taste. Ein hoher Piepton ertönt, doch auf dem großen Fenster vor ihr tut sich nichts.
    »Hast du eine andere Idee?«, fragt sie Edgar. »Hattest du ein Haustier?«
    »Ich bin gegen alles außer Nacktmullen allergisch …«
    »Wie hieß dein Vater?«, fragt Delilah.
    Edgar blickt zu Boden. »Isaac.«
    Ich beobachte Delilahs Hände: I-S-A-A-C. Wieder der hohe Piepton. Delilah schlägt mit der Faust auf den Computertisch. »Wir sind doch schon so nah dran«, murmelt sie. »Fällt dir irgendein anderes mögliches Passwort ein, Edgar?«
    Er sprudelt vor Ideen: der Name der Straße, in der seine Mutter geboren wurde, der Name des Haustiers seiner Mutter, als sie klein war, der Titel des ersten Romans, den sie veröffentlich hat. Aber nichts funktioniert. Mit jedem Versuch wird mir schwerer ums Herz, ich habe das Gefühl, immer mehr mit dem Papier, aus dem das Buch besteht, zu verschmelzen.
    Nach einer fruchtlosen halben Stunde steht Delilah auf und kniet sich hin, damit ich sie besser sehen kann. »Tut mir leid, Oliver«, flüstert sie, und ihrer Stimme ist die Enttäuschung anzuhören. »Ich hab’s versucht.« Sie streckt die Hand zu mir aus, eine Sonnenfinsternis aus fünf Fingern, und ich strecke ihr meine entgegen. Aber es ist nicht so wie beim letzten Mal, als sie bei mir im Buch war. Zwischen der Haut unserer Finger befindet sich nun wieder eine hauchdünne Barriere.
    Orville hat mir einmal erzählt, dass die Menschen sich im Grunde nie tatsächlich berühren. Und zwar weil wir nichts weiter sind als eine Ansammlung klitzekleiner Atome, die jeweils von einem elektromagnetischen Feld umgeben sind. Deshalb halten wir uns nicht wirklich an den Händen, wenn wir uns an den Händen halten. Was miteinander in Kontakt kommt, sind lediglich die Elektronen zwischen uns.
    Damals verstand ich es nicht, ich hielt es wieder für so einen wissenschaftlichen Hokuspokus von Orville. Aber jetzt … tja, jetzt ist es mir vollkommen klar.
    »Das war’s dann also?«, unterbricht Edgar meine Gedanken. »Wir geben einfach auf?«
    »Es war wahrscheinlich sowieso eine blöde Idee«, meint Delilah.
    »Aber was ist mit ihm?« Edgar deutet mit dem Daumen in meine Richtung. »Jeder verdient ein Happy End.« Er schüttelt den Kopf. »Ich rede schon wie meine Mutter. Das hat sie früher immer zu mir gesagt, wenn sie mich ins Bett gebracht hat.«
    Langsam dreht Delilah sich um und zählt etwas an ihren Fingern ab. Sie setzt sich wieder auf den Stuhl, ihre Finger fliegen über die Buchstaben vor ihrem Computer. »Jeder«, wiederholt sie und tippt den Buchstaben J .
    »Verdient«. V.
    »Ein.« E.
    »Happy.« H.
    »End.« E.
    Auf dem Fenster erscheinen Hunderte von Wörtern – Wörter, die ich unzählige Male gelebt habe, jeden Tag meines Lebens.
    Delilah lässt die Zeilen in dem Fenster nach oben wandern und beginnt zu reden. Bevor mir überhaupt klar wird, was sie tut, blättert Edgar durch die Seiten, um die Stelle zu finden, die sie laut liest.
    Ich schlage Purzelbäume und knalle an die Seitenränder. Eine Fee stößt so blitzartig mit mir zusammen, dass ich nicht
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