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Mein Herz in Deinen Händen

Mein Herz in Deinen Händen

Titel: Mein Herz in Deinen Händen
Autoren: Christina Dodd
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Zickzacknarbe – eine Verletzung, die kunstvoll repariert worden war. Die Stelle unterhalb der Narbe wirkte ein wenig eingedrückt, als habe es ihm den Wangenknochen zertrümmert. Die dünne weiße Linie zog sich wie eine Kriegsbemalung über seine Haut und ließ ihn ironischerweise indianischer aussehen als je zuvor.
    Man hatte ihm wehgetan. Furchtbar wehgetan.
    Und er war hier in Mrs Dreiss’ Haus, wo er doch, ein Stück weiter die Straße hinunter, auf der Graham-Ranch hätte sein sollen.
    Sie rieb die Hände über die Arme, versuchte, sie durch den glatten Stoff der Jacke aufzuwärmen. »Ist sie krank?«
    Die einzige Antwort, die sie erhielt, war der Anblick seines Rückens, als er zur Vorderseite des Hauses marschierte und im Gehen die Lichtschalter umlegte.
    Sie folgte ihm. Die billigen Stiefel gaben beim Gehen gedämpfte Geräusche von sich und rieben neue Blasen dort, wo die alten schon geplatzt waren.
    Das Haus war in den zwanziger Jahren erbaut worden. Wohnzimmer, Esszimmer und Küche zogen sich als Zimmerflucht von vorne nach hinten. Neben jedem Raum war ein Schlafzimmer. Das Esszimmer hatte sich nicht verändert. Ein eingebautes Büfett lief die ganze Wand entlang, und der Tisch war groß genug, um eine ausgehungerte achtzehnköpfige Horde zu füttern. Nur der Computer gab dem Zimmer eine seltsame, unpassend zeitgemäße Note.
    Die Pflanzen, die überall herumstanden, sahen vernachlässigt aus: verstaubt, vertrocknet und genauso leidend wie jetzt Pepper. Im Wohnzimmer lagen immer noch gestärkte Häkeldeckchen auf den Sessellehnen, und an den Fenstern hingen Spitzenvorhänge. Pepper sah, dass die Tür zu Mrs Dreiss’ Schlafzimmer immer noch offen stand.
    Dan trat zur Seite und ließ Pepper als Erste hineingehen.
    Die Frisierkommode war aus solider Eiche und im Laufe der Jahre dunkel geworden. Mrs Dreiss’ Bürsten, ihre silberne Haarspange und ihre Sammlung gläserner Parfümflaschen waren fein säuberlich auf einem verstaubten Spiegel arrangiert. Wie immer bedeckte der Hochzeitsquilt mit dem dunkelblauen Hintergrund das Bett.
    Der Raum war unbewohnt.
    Dan brauchte kein Wort zu sagen. Mrs Dreiss war fort. »Wann ist sie … gegangen?«, flüsterte Pepper. Sie konnte das Wort nicht sagen – gestorben . Nicht jetzt. Nicht wenn es um Mrs Dreiss ging.
    »Vor zehn Monaten.«
    »Musste sie leiden?«
    Er rührte sich nicht von der Stelle. Er zeigte keinerlei Emotion. »Herzattacke. Ich selber hab sie gefunden. Sie ist im Garten gestorben.«
    Eine gewisse Erleichterung – klein, aber sehr real – lockerte die Spannung ihrer Muskeln. »Dann ist sie glücklich gestorben.«
    »Sie hat friedlich ausgesehen und zufrieden mit sich.«
    »Gott sei Dank.« Pepper fühlte sich ihm und dem Haus hier sonderbar entrückt. Ihr Kopf summte und sie schluckte: »So alt war sie doch gar nicht.«
    »Einundsiebzig.«
    »Nein, das kann nicht sein.« Pepper war dankbar, dass er sie nicht für den Kummer tadelte, den sie Mrs Dreiss bereitet hatte, sowohl während der Monate, die sie hier gelebt hatte, als auch später, als sie, ohne je zurückzuschauen, ging.
    Obwohl sie eigentlich zurückgeschaut hatte . Sie hatte gelegentlich ein Lebenszeichen geschickt, kleine Geschenke und kurze Nachrichten, damit Mrs Dreiss sich nicht zu große Sorgen machte. Sie hatte ihr ein Buch gekauft und versucht, es signieren zu lassen …
    Aber sie hatte nicht gewollt, dass irgendwer sie aufspürte, und sie hatte immer geglaubt, dass ihr noch Zeit bliebe. Zeit, um zurückzukehren. Zeit, die Angelegenheit mit Mrs Dreiss ins Reine zu bringen.
    Sie hätte es besser wissen müssen.
    Sie ging zum Kleiderschrank und machte die Tür auf. Mrs Dreiss’ Kleider hingen noch da, ein Duftkissen verströmte Lavendelduft und hüllte Pepper damit ein. »Ich hätte nie gedacht, dass sie sterben könnte.«
    Blödsinn . Jeder musste sterben.
    Aber er stimmte ihr zu. »Ich auch nicht.«
    Pepper berührte das Kleid, das Mrs Dreiss im Sommer jeden Sonntag in die Kirche angezogen hatte. Ein waschbares, pflegeleichtes Baumwollkleid – Mrs Dreiss hatte nicht die Zeit, sich mit dem Bügeleisen abzuplagen. Für Pepper symbolisierte das Kleid Mrs Dreiss. Eine tatkräftige Frau, geradeheraus und braungebrannt, weil sie ihr Leben an der frischen Luft bei ihren Pflanzen verbrachte, mit blauen Augen, die die Lügengeschichten einer Sechzehnjährigen als solche erkannten und furchtlos dreinblickten, wenn sie sie enttarnte. Pepper sah Dan an. »Dass sie ein Waisenkind aufgenommen
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