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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
Autoren: Ulrike Herwig
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Sie kicherte albern. »Wir können ja mal wechseln.«
    Nie wieder, dachte Wanda. Nie wieder. Ihre gequälten Zehen wollten nichts mehr, als aus diesen Schuhen raus und in ihre weichen Wollsocken zu Hause rein. Gab es etwas Peinlicheres, als mitteleuropäische Rentnerinnen, die an einem kalten Oktoberabend zwischen Sprossenwand und Basketballkorb mit dem Hintern wackelten wie Fidel Castros Fernsehballett? Lächerlich, total lächerlich. Doch dann sah sie es: Der Mann mit den hochgezogenen Hosen tanzte wie ein junger Gott mit seiner pummeligen Frau. Die beiden strahlten sich an, schienen alles um sich herum vergessen zu haben. Wo Wanda und Biggi schoben und strauchelten, schwebten die beiden dort wie aus einem Guss über das zerschrammelte Parkett. Sahen sich dabei in die Augen, kamen sich immer näher. Der Anblick der beiden traf Wanda unvorbereitet und mitten ins Herz. Wolfgang, ihr Ex, hatte nie so mit ihr getanzt. Nicht mal in ihren besten Zeiten. Er hatte sie nie so angesehen, wie der Mann mit den hochgewursteten Hosen dort seine Frau ansah. Und falls nicht noch ein ganz großes Wunder geschah, würde Wanda wohl auch niemand mehr in ihrem Leben so ansehen. Denn dazu müsste sie erst einmal jemanden finden. Und wo? Hier garantiert nicht.
    »Die drehen sich alle«, keuchte Biggi ihr zu. »Los, wir drehen uns auch.«
    Wanda riss reflexartig die Arme hoch, damit Biggi sich Cross Body Style à la Anita durchschieben konnte, aber Biggi machte genau dasselbe. Sie standen plötzlich Rücken an Rücken, die Arme über den Köpfen verdreht.
    »Ich bin doch jetzt der Mann!«, japste Biggi.
    »Augenkontakt nicht vergessen«, rief Ernesto. »Und dann wieder zurück, eins, zwei, drei.«
    Aber Wanda tanzte nicht eins, zwei, drei zurück, denn als sie den Kopf nach hinten renkte und versuchte, ihre Arme und Biggis zu entwirren, schoss ihr ein stechender Schmerz in den Nacken. Sie hatte es doch geahnt, verdammt noch mal. Augenblicklich ließ sie Biggi los, die hinter ihr unter hysterischem Gegacker zu Boden ging.
    Ernesto sah erstaunt zu ihnen hinüber. »Señoras?«

2   Schon mal Känguru gegessen?
    »Also das hätte ich dir gleich sagen können. Was hast du jetzt davon? Einen steifen Hals. Turnen füllt Urnen, das ist nicht neu. Und bei Biggi muss es immer das Billigste sein.« Marianne schüttelte den Kopf und griff nach einem weiteren Stück Streuselkuchen. »Nun iss doch mal. Selbst gebacken, nicht aus der Packung.«
    Wanda goss sich noch eine Tasse Tee ein – grün mit einem Hauch von Lotus – und stellte die gusseiserne Kanne zurück auf das Stövchen. Sie griff nach einem Stück des buttrigen Streuselkuchens. Ihre Freundin Marianne war die perfekte Hausfrau, ihre Kuchen waren Legende. Leider konnte sie es nicht lassen, einen auch ständig darauf hinzuweisen.
    »Na ja, so billig war der Kurs nun auch wieder nicht«, entgegnete Wanda kauend. »Und so ganz stimmt das nicht, immerhin geht Biggi auch in diesen supermodernen Fitnessklub, der Gott weiß wie viel kostet.«
    Biggi hatte Wanda eingeladen, doch mal mitzukommen, und ehrlich gesagt hatte Wanda nichts dagegen, sich in so einem schicken Laden mal umzusehen. Angeblich gab es dort eine tolle Sauna und einen Pilateskurs, was immer das nun genau war.
    »Doch nur, weil sie damals Glück hatte und den Schnupperpreis bezahlen durfte. Sonst wäre die da nie Mitglied geworden. Kurz danach haben die Gebühren ordentlich angezogen.«
    »Ach«, sagte Wanda. Sie stellte erstaunt ihre Tasse ab. »Warst du mal dort?«
    Marianne wirkte plötzlich leicht pikiert. »Sie hat mich neulich mal in die Sauna mitgenommen. Und weißt du, warum? Weil sie irgendeinen Gutschein bekommen hätte, wenn ich Mitglied geworden wäre.« Marianne schlug empört ihre Zähne in den Streuselkuchen. »Unglaublich. Freunde trickst man doch nicht so aus.«
    Wanda trank hastig einen Schluck. Was für einen Gutschein? »Aber du wolltest doch sowieso nicht Mitglied werden?« In der Tat war die Vorstellung einer Marianne, die an einer dieser Kraftmaschinen herumfuhrwerkte, geradezu grotesk. Es sei denn, sie würde sie putzen.
    »Natürlich nicht. Schmeiß denen doch nicht mein Geld in den Rachen. Sauber war’s auch nicht. Und dem Günther hätte es auch nicht gefallen.«
    Für Marianne war nichts auf der Welt sauber genug, und dass ihr Mann Günther zu dem Thema seine Meinung hatte äußern dürfen, wagte Wanda noch zu bezweifeln. Günther verbrachte seine ihm noch verbleibende Lebenszeit hauptsächlich auf
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