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Mein Boss, die Memme

Mein Boss, die Memme

Titel: Mein Boss, die Memme
Autoren: Patrick D. Cowden
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unliebsamen, überraschenden Kontakten mit der Basis. Die herausragende Stellung – sie manifestiert sich im Alltag in räumlicher und körperlicher Distanz. Und das bleibt nicht ohne Folgen.
    Wer im Firmenaufzug schon einmal zufällig dem Vorstand eines großen Konzerns über den Weg gelaufen ist, der weiß, wie schwer ein normales Gespräch sein kann – für beide Seiten. Worüber soll man reden? Über das Wetter, über Fußball? Nun, eigentlich schon. Aber die Entfremdung verhindert das.
    Da stelle ich mir doch die Frage: Wie gut kann man Menschen führen, denen man fremd geworden ist?
    Kurz nachdem Wolfgang Zetsche Vorstandsvorsitzender bei Daimler-Chrysler geworden war, ging das folgende Bild von ihm durch die Presse: Bei einer Firmenfeier in Stuttgart zapfte er hinter dem Bierausschank höchstpersönlich für seine Mitarbeiter. Seine Botschaft: Ich bin auf dem Boden geblieben, ich bin einer von euch. Bei mehr als 200 000 Mit­arbeitern mehr ein symbolischer Akt. Vor allem aber ein Hinweis an die Führungskräfte des Großkonzerns: »Entfernt euch nicht zu weit von euren Mitarbeitern! Redet miteinander!«
    In dieser Zeit ließ Zetsche die vielen Bildschirme für die virtuellen Konferenzen wieder abmontieren. Die Leute sollten sich öfter gegenübersitzen.
    Für die Sozialallergiker unter den Chefs kein leichtes Unterfangen – scheint doch die eigene, separate Chef-Welt für viele das eigentliche Ziel ihrer Karriere zu sein.
    Distanz als Waffe
    Wer aufsteigt, will als Erstes sein eigenes Büro. Dazu ein Schreibtisch in angemessener Größe. Man beruft sich dabei gern auf das Einhalten diverser Verordnungen, in denen etwa die Tischbreite auf den Zentimeter genau festgelegt ist.
    Und ist endlich das Büro bezogen, dann gilt für die gnädig empfangenen Besucher: Die Tür beim Hinausgehen bitte wieder fest schließen, so viel Zeit muss sein! Und den nächsten Gesprächstermin bitte nur nach Vereinbarung!
    Körperliche wie räumliche Entfernung ist nicht nur Ausdruck einer in Arroganz gekleideten Menschenscheu, sondern für manche sozialallergische Memme sogar eine Waffe. Sie sind den Mitarbeitern völlig entfremdete, auf die Sicherung des eigenen Status bedachte Bosse, die auf diese Art ihre abgehobene Position vehement nach unten verteidigen. Als junger Aufsteiger hatte ich davon keine Ahnung, bis mich zum ersten Mal die Chef-Keule richtig traf:
    Eine Lektion in Unternehmenspolitik
    Mit Ende 20 war ich Geschäftsführer einer neu gegründeten In­ternet-Firma, die das Tochterunternehmen einer großen Lan­desbank war. Das Ziel der Unternehmung war es, im vielversprechenden Telekommunikationsmarkt Fuß zu fassen. Nur waren wir mit diesem Vorhaben nicht allein – der noch junge Markt boomte, und die Konkurrenz um die begehrten Aufträge war groß.
    Mit einem jungen Team ging ich verdammt ehrgeizig ans Werk. Wir versuchten, schneller und besser zu sein als unsere Mitbewerber. Und das gelang uns auch: Viele wichtigen Aufträge gingen an unsere kleine Firma, was unseren Konkurrenten natürlich gar nicht gefiel. Unglücklicherweise waren viele von ihnen zugleich Kunden der Landesbank, unserer Mutterfirma. Schon nach unseren ersten Erfolgen am Markt lud mich deshalb einer der Landesbank-Vorstände vor.
    Sein Büro strahlte all das aus, was man von einem hohen Tier so erwartet. Ich sah den weichen Teppich unter mir, ein altes Gemälde vor mir und vor allem: einen mächtigen Mahagoni-Tisch zwischen uns. Das Monstrum füllte den Raum zwischen uns so effektiv aus, dass von einer persönlichen Begegnung schon beinahe keine Rede mehr sein konnte. Der Tisch hielt mich auf Abstand – wie jeden, der hier vorgeladen wurde.
    Um mir die Hand zu geben, hätte der Ober-Boss mit dem strengen, weißen Scheitel aufstehen und mir seine goldenen Manschettenknöpfe mit einer halben Verbeugung entgegen strecken müssen, so breit war das Mahagoni-Gebirge. Aber er machte ohnehin keine Anstalten, mir näher kommen zu wollen. Stattdessen blieb er bequem zurückgelehnt in seinem breiten Sessel sitzen. Mir bot er keinen Platz an. Wie einen Schuljungen ließ er mich vor sich stehen, um mir von seinem Thron aus seine eloquent verpackten Befehle zu verkünden.
    Das Fazit der Ansprache: Meine Aktivitäten würden seine Kunden doch sehr stören, und ich solle mich ab
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