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Mein Boss, die Memme

Mein Boss, die Memme

Titel: Mein Boss, die Memme
Autoren: Patrick D. Cowden
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zwischenmensch ­­lichen Angelegenheiten überforderte Chefs sind schwache Chefs.
    Wie oft habe ich solche – nennen wir sie ruhig mal herzensgute – Memmen vor ihren Teams erlebt. Wenn sie steif da stehen und mit hängenden Armen versuchen, ihre Mitarbeiter für ein neues Projekt zu entflammen. Meistens geht das schief. Ihre formelhafte, unpersönliche Sprache macht es schier unmöglich, nicht sofort wegzudämmern.
    Je nach akademischem Hintergrund klingen ihre Motivationsversuche entweder zu sehr nach Gesetzbuch, nach Be amtenlatein, nach Technikerkauderwelsch oder nach BWL er- Baukasten. Da will kein Funke überspringen. Niemals. Aber was ist das für eine Beziehung zwischen Arbeitskollegen, ohne einen Funken der Begeisterung?
    Es ist eine müde, schleppende Beziehung in einem faden, langweiligen Arbeitsalltag. Ohne Leuchten am Horizont und in den Augen. Eine Beziehung, vor der nicht nur den Mit­arbeitern, sondern auch vielen Chefs graut. Vor allem, weil sie bei letzteren ein Gefühl der Überforderung auslöst. Als Angestellter schafft man sich dann eben seine eigenen Highlights: ausgedehnte Kaffeepausen, Firmentratsch, Chef-Lästereien.
    Schutzraum Chefbüro
    Ein Bekannter erzählte mir die folgende Anekdote. Ein Vorstandsvorsitzender wollte einer seiner Fabriken einen Besuch abstatten. Wie das Schicksal es wollte, ging auf dem Weg dorthin jedoch einiges schief, und der Boss kam nicht mit seiner S-Klasse samt Chauffeur vorgefahren, sondern hinter dem Steuer eines kleinen Golfs. Dazu erschien er auch nicht wie üblich im Maßanzug. Es kam, wie es kommen musste: Der Pförtner erkannte den verschwitzten, etwas lädiert aussehenden älteren Mann einfach nicht. Trotz vieler Beteuerungen des Chefs, der Chef zu sein, ließ ihn der Pförtner nicht auf das Firmengelände. Der Kaiser war nackt. Seiner Insignien beraubt und auf den eigentlichen Kern seiner Persönlichkeit zurückgeworfen, konnte sich der mächtige Boss nicht gegen den pflichtbewussten Pförtner durchsetzen. Versagte in einer Situation, in der er sich auf Augenhöhe mit dem Mann an der Pforte bewegen musste, für den er sonst vielleicht nicht mal einen Gruß übrig hatte.
    Die mangelhafte Kompetenz im Umgang mit ihren Untergebenen bringt viele Chefs dazu, sich mit der Zeit abzukapseln. Ein eigenes Büro und eine Chefkantine dienen vielen deshalb nicht nur als Statussymbol, sondern auch als Schutzraum. Ein Bollwerk gegen die Zumutungen der Mitarbeiter – ihr Bedürfnis nach Kommunikation und Austausch, ihre ehrliche und oft nicht angenehme Meinung.
    Es ist für Führungskräfte schwer, sie sich einzugestehen: die Angst, zentraler Teil eines komplizierten Beziehungsgefüges zu sein, das ein Team von Mitarbeitern und Chef eben darstellt. Die Herausforderung, sich als Boss auf vielfältige Emotionen und Erwartungen einzulassen und sich darin möglicherweise heillos zu verstricken, erfordert Mut und Charakter.
    Â­Das Verlangen, sich räumlich oder durch Symbole zu distanzieren, entspricht einer tiefen Furcht vor der Komplexität des ungeordneten, zwischenmenschlichen Chaos. Wer seinen Mitarbeitern nicht zu nahe kommt, behält Kontrolle und Überblick. So zumindest die Hoffnung vieler Chefs, die auch in der folgenden Erzählung eines Ingenieurs zum Ausdruck kommt:
    Doppelter Kater
    Â»Ich war vier Monate im Unternehmen, da kam die erste Weihnachtsfeier. Es wurde eine ausgelassene Party. Zu später Stunde, wir waren alle längst nicht mehr nüchtern, taute auch unser Boss auf. Im Alltag ist er ein sehr wortkarger, spröder Typ, mit dem keiner richtig warm wird. In dieser Nacht aber stieß er mit jedem an, beteiligte sich lebhaft an den Unterhaltungen und gab lustige Anekdoten zum Besten. Sogar über seine Frau erfuhr ich etwas mehr, als mir lieb war. Er war kaum wiederzuerkennen. Kurz vor Ende der Feier lobte er mit glasigem Blick und schwerer Zunge uns, seine Jungs, für unseren Job – es war überhaupt das erste Mal. Meinen zwei Kollegen und mir (den letzten, die so lange durchgehalten hatten) bot er das Du an. Gerne nahm ich an.
    Der Kater am nächsten Morgen war hart. Aber ich war bestens gelaunt. Schien sich doch das, was mich an meinem neuen Job gestört hatte – das angespannte Verhältnis zu meinem Boss – schlagartig verbessert zu haben. Wir begegneten uns im Aufzug. Es waren noch ein paar
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