Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Titel: Mein Bild sagt mehr als deine Worte
Autoren: David Levithan
Vom Netzwerk:
geschehen. Unvermeidlich.
    Der Unterschied war nur, dass wir diesmal wenigstens darauf vorbereitet waren.

18 F
    Nach unserem Ausflug sind meine Eltern mit mir in der Stadt noch etwas essen gewesen, und als wir nach Hause kamen, bin ich sofort in mein Zimmer. Ich wollte Jack anrufen, aber dann fiel mir ein, dass er wahrscheinlich mit seinen Freunden aus der Mannschaft irgendwo auf einer Party war. Die ersten paar Wochen danach hatte er mich noch eingeladen mitzukommen. Aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, zwischen Leuten herumzustehen, die mir völlig gleichgültig waren. Deshalb ließ ich ihn allein losziehen. Und nach einer Weile fragte er auch nicht mehr.
    Ich hörte, wie meine Mutter erst die Haustür öffnete, dann den Briefkasten und dann wieder ins Haus kam. Das übliche Verhaltensmuster bei ihr am Abend, genauso normal wie für meinen Vater, den Fernseher anzustellen.
    Nur dass sie diesmal meinen Namen rief. Die Treppe heraufkam. Bei mir im Türrahmen stand.
    »Da war was für dich im Briefkasten«, sagte sie. Neugierig, aber nicht neugierig genug, um mehr zu sagen.
    Sie reichte mir einen Umschlag, auf dem mein Name stand.
    Ich machte keine Anstalten, ihn zu öffnen. Bis sie schließlich ging und ich die Tür zumachen konnte.

19
    Noch ein Foto von mir.
    Noch ein Foto von dem Tag damals.

    »Lass uns in den Wald gehen und ein paar Fotos machen«, hast du gesagt. »Ich hab einen alten Fotoapparat gefunden.«
    »Klar«, sagte ich. »Nach der Schule?«
    »Ja, nach der Schule.«

    Was ist an diesem Vormittag passiert? Was veränderte auf einmal alles?
    Jedenfalls warst du auf einmal völlig anders, als wir uns nach dem Unterricht bei deinem Spind getroffen haben. Du hast mir den Fotoapparat gegeben.
    »Hier, nimm.«
    Aber du hast zerstreut gewirkt, wie abwesend.
    »Ist irgendwas nicht in Ordnung?«, fragte ich.
    Und ich erinnere mich noch genau daran.
    Du hast gesagt: »Alles.«

    Ich bin dir in den Wald gefolgt.
    Ich bin dir gefolgt.
    Ich wäre dir überallhin gefolgt.
    Ich dachte jedenfalls, dass ich dir überallhin folgen würde.
    Aber dann bist du an einen Ort aufgebrochen, an den ich dir nicht mehr folgen konnte.

    Aber erst noch mal zurück. Zurück in den Wald. Sieh dir das Foto genau an. Darauf bist du. Jemand hat uns beobachtet. Ich habe keine Ahnung, wer. Doch das da bin ich.
    Ich schaue dich an.
    Du hast das Foto nicht gemacht.
    Ich hatte den Fotoapparat.

    »Mach ein Foto von mir«, hast du gesagt.
    Also habe ich den alten Fotoapparat vor mir aufgebaut.
    »Ist da überhaupt ein Film drin?«, fragte ich.
    »Dann hast du auch später noch was von mir«, hast du gesagt.
    »Wie meinst du das?«, fragte ich. Ich war mir nicht sicher, ob da überhaupt ein Film drin war.
    »Evan, ich kann einfach nicht mehr. Ich kann nicht mehr.«
    »Was?«
    »Mach das Foto.«

    Was ist als Nächstes passiert?
    Als Nächstes ist passiert, dass
    Als Nächstes ist passiert, dass
    Jack?
    Nein.
    Ja.
    Dein Schrei.
    Nein.
    Ja.
    Was als Nächstes passiert ist.
    Hör auf.
    Was ist passiert.
    Hör auf.
    Als Nächstes.
    »Hör auf!«
    Hör auf.
    Ich zerriss das Foto.

    Ich zerriss das Foto in immer kleinere Hälften.

    Ich befahl mir, damit aufzuhören.
    Ich hörte dich aufschreien. »Hör auf!«
    Ich kann nicht damit aufhören.

    Ich kann nicht damit aufhören

20
    Ich schlief fast den ganzen Sonntag, so erschöpft war ich. Als ich am Montag in die Schule kam, wimmelte es dort bereits wie in einem Bienenstock. Ich drängte mich bis zum Pausenhof durch, weil ich unbedingt mit dir Jack reden wollte. Und da war er auch. Es wirkte sogar so, als hätte er auf mich gewartet. Als er mich sah, trat er seine Zigarette aus und sagte etwas zu Katie, die neben ihm stand. Die beiden kamen auf mich zu, noch bevor ich auf sie zusteuern konnte.
    »Hi«, sagte ich. »Es hat sich was getan.«
    Irgendetwas stimmte nicht. Das spürte ich. Jack sah mich so merkwürdig an. Als hätte ich etwas getan. Und zwar etwas richtig Schlimmes.
    »Lasst uns da drüben weiterreden«, sagte er und deutete auf den Wald.
    »Ich hab wieder ein Foto gekriegt«, sagte ich. Mir fiel auf, dass Katie es nicht fertigbrachte, mir in die Augen zu schauen.
    »Klar hast du das«, sagte Jack.
    »Wie meinst du das?«
    Aber er gab mir keine Antwort. Nicht, bis wir nicht weit genug von allen anderen weg waren. Und selbst dann starrte er mich eine Weile nur an. Schließlich brach Katie das Schweigen.
    »Ich hab Mr Rogers heute früh erwischt«, sagte sie.
    Jetzt, dachte ich.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher