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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter
Autoren: Serena David
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wieder, schrammte mit dem nackten Rücken zwei Meter über raues Gestein und stürzte dann ab. Zum Glück war es nicht mehr allzu tief. Für einen kräftigen Aufschlag genügte es. Adrian spürte, wie seine Rippen sich stauchten. Dann wurde ihm ganz kurz schwarz vor Augen.
    Die Möwe schrie auf vor Schreck und setzte zum Abflug an. Sie verlor das Handy, das zwischen die Klippen fiel. Adrian, ausgestreckt auf dem Boden liegend wie eine Flunder, sah, als er wieder zu sich kam, gerade noch, wie es verschwand. Er stöhnte.

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7. Kapitel
    Langsam bewegte Adrian ein Bein, dann das andere. Danach betastete er seine Rippen. Er sank wieder zurück. Kein Grund mehr zur Eile. Nass war nass. Dubai war Land unter. Ein Witz, dass er dort eine künstliche Insel hätte bauen sollen. Oder sollte es Wunder geben? Nach kurzem Zögern robbte er in Bauchlage an den Flutsaum heran und hängte die Nase übers Wasser. So viel zum Thema Wunder: Von seinem Handy keine Spur, die Wellen hatten es sicher längst in eine der Spalten zwischen den großen Steinen gespült, die hier den Grund bedeckten. Wenigstens war es nicht allzu tief. Adrian robbte rückwärts, als zöge er sich von einem einsturzgefährdeten Abgrund zurück. Er atmete erst wieder, als er in sicherer Entfernung vom Wasser lag. Dann erst überließ er sich dem aufwogenden Selbstmitleid. Nichts, aus, vorbei. Die Brandung gluckste zwischen den Felsen. Für Adrian klang es wie ein äußerst höhnisches Kichern.
    Es klang sogar verdammt wie ein Kichern, und zwar ein ziemlich echtes. Mit einem Ruck setzte Adrian sich auf. «Ist da jemand?», rief er. Als er seine eigene Stimme hörte, hier im Niemandsland der kleinen, kaum zugänglichen Bucht, kam er sich albern vor. Ein kurzer Blick nach links, wo Broxton liegen musste, und einer nach rechts verrieten ihm, dass es eine vertrackte Kletterpartie werden würde, hier wieder herauszukommen. Touristen machten sich in der Regel nicht so viel Mühe, und Einheimische schon gar nicht, die hatten zu arbeiten. Trotzdem wurde Adrian das komische Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Ob die Möwe ihren Freunden von ihm erzählt hatte?
    Argwöhnisch betrachtete Adrian den Himmel. Aber er konnte schon nicht mehr sagen, welcher Vogel seiner gewesen war.
    Dann erklang das Kichern wieder, aber es kam nicht vom Himmel, sondern aus einer kleinen Grotte. Halb überzeugt, dass sich dort jemand versteckte, der seine Kletterpartie beobachtet hatte oder – noch peinlicher – seine kindische Angst vor dem Wasser, machte Adrian sich auf den Weg dorthin. Die Grotte lag halb unter Wasser, was unangenehm war, umso unangenehmer, da es dort drinnen dunkel war und klaustrophobisch eng. Aber es gab einige Trittsteine, auf denen man sich dem Eingang zumindest nähern und einen Blick hineinwerfen konnte. Adrian balancierte von einem zum anderen, so gut es ging. Lächerlich, sagte er sich, das Wasser ist hier höchstens dreißig Zentimeter tief. Wer hier ersäuft, ist ein echter Künstler. Und außerdem musste er ohnehin hier vorbei, wenn er nach Hause wollte. Also alles im Lot. Trotzdem war ihm unbehaglich zumute.
    Und als er die wallenden schwarzen Strähnen sah, wurde ihm schlecht.
    Haare, dachte er entsetzt, das waren Haare, lange, schwarze Frauenhaare. Und er wusste auch, wem sie gehörten. Ohne die Augen zu schließen, konnte er sie vor sich sehen und die schwarze Flut, die ihre Hüften umspült hatte. Also war es wahr, sie war tot. Und er war an allem schuld. Er hätte sie aufhalten müssen in dieser Nacht.
    Adrian wurde mit einem Mal schwarz vor Augen, seine Beine begannen zu zittern. Er schaute nach unten und sah nichts als Wasser, darin Fische, die mit einer zuckenden, widerlich schnellen Bewegung vor dem Beben seines Schattens flüchteten. Was für kalte, hässliche Viecher. Oh Gott. Er fuchtelte haltsuchend mit den Händen. Da war keiner. Es gab keine Alternative zum Stehenbleiben. Adrian wankte. Er verkrampfte sich. Er kämpfte. Und er stand. Nach Luft schnappend kam er zu sich. War ja gar nicht so schwer gewesen, im Grunde musste er nur der Schwerkraft ihren Lauf lassen. Das hatte ja auch vorhin schon so wunderbar geklappt.
    Vorsichtig machte er einen großen Schritt zum nächsten Stein, dann noch einen, dann stand er auf trockenem Grund. Aber war sie immer noch da? Verzweifelt blickte er zurück. Er konnte sie doch nicht dort lassen. Bis er Hilfe geholt hätte, hätten die Gezeiten sie sonst wohin getrieben. Adrian fasste einen
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