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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau
Autoren: Britta Strauß
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Wasser. Alles strömte auf ihn ein, wie er es in seinen Erinnerungen bewahrt hatte, sah man einmal von dem windschiefen Unterstand ab, der nun neben der Hütte stand und offenbar ein Boot beherbergte. Neugierig näherte er sich dem Gebilde. Seine Befürchtung, jemand Fremdes hätte sich hier zu schaffen gemacht, löste sich in Bewunderung auf.
    Vor ihm stand ein Kanu. Ohne Frage Mayas Werk, das prächtigste Boot, das er je gesehen hatte. Auf schwarzem Grund leuchtete die Abbildung eines stilisierten Orcas und eines Hirsches, miteinander verbunden durch ein verschlungenes Netz aus Linien und keltisch anmutende Spiralen. Das Symbol des Meeres und des Landes. Beeindruckt strich er über den eleganten Bug des Kanus, doch seine Ungeduld erlaubte keine näher gehende Betrachtung. Er musste wissen, ob sie hier war. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er die morsche Tür der Hütte öffnete. Im Inneren roch es nach Kaminholz, Schokolade und Tee. Gerüche, die vertraut und doch fremd waren, weil er sie seit Ewigkeiten nicht wahrgenommen hatte.
    Mitten im Raum stand eine Kiste, darauf lagen Kleider, denen Mayas Duft anhaftete. Er nahm sie in die Hand, roch daran und zog sie über. Der Stoff rieb auf seiner Haut und gab ihm das Gefühl, eingeengt zu sein. Doch das Hemd und die Hose trugen ihren Geruch.
    Neugierig öffnete er die Truhe und war entzückt. Dutzende seiner geliebten Schoko-Karamell-Riegel lagen darin. Daneben getrockneter Schinken in knisternden Tüten, Mokkabohnen, Zartbitterschokolade und Apfelringe. Sie hatte all das für ihn hier hinterlassen, in dem Wissen, dass er zurückkehren würde. Und als er die hauchfeine Rauchwolke sah, die vom abgebrannten Kaminholzstapel aufstieg, wusste er, dass Maya ihn nicht aufgegeben hatte. Sie würde wieder hierherkommen. Bald.
    Euphorisch machte er sich über den Inhalt der Truhe her. Der Genuss, Schokolade auf der Zunge zerschmelzen zu lassen, war unbeschreiblich. Seine Disziplin löste sich in Wohlgefallen auf, und als er nach ausgiebigem Schlemmen wie ein Stein auf die Pritsche fiel, konnte er nur hoffen, seinen Körper nicht hoffnungslos überfordert zu haben.
    Todmüde, die Decke bis zur Nase hochgezogen, kreisten seine Gedanken um möglicherweise lauernde, unangenehme Überraschungen. Es war gut möglich, dass nicht nur Maya auf ihn wartete, doch der Sog der Müdigkeit verschlang ihn unwiderstehlich. Sein Geist driftete in warme Tiefen hinab und mit einem süßen Duft in der Nase schlief er ein.
    „Guten Morgen.“ Lippen strichen über seine Stirn. Zarte Finger hielten seine Hand. „Und willkommen zurück.“
    Eine Träne fiel auf seine Brust. Christopher öffnete unter Mühen die Augen. Über ihm schwebte das schönste Gesicht, das er sich je hätte ausmalen können. Stumm und ergriffen lag er da, gefesselt von der Angst, Maya könnte wieder verschwinden. Die Frau, deren Bild er über so lange Zeit hinweg mit wachsender Verzweiflung festgehalten hatte. Die Frau, die ihm in eisiger Dunkelheit vor Feuerland beinahe entglitten wäre.
    „Wie lange war ich weg?“, hörte er sich krächzen.
    „Viel zu lange.“ Maya fiel ihm weinend in die Arme. „Bist du echt? Bist du wirklich hier?“
    „Ja, ich bin hier.“ Eine Weile hielt er sie einfach im Arm, wiegte und küsste sie, bis er sich überzeugt hatte, nicht zu träumen. Und doch war all das surreal. Es war ein verwundbares, verletzliches Glück, und er wagte kaum, danach zu greifen.
    „Zwei Jahre“, hörte er sie flüstern. „Es waren ganze zwei Jahre.“
    „Was?“
    Diese ungeheure Vorstellung ließ ihn hochfahren. Maya wich zurück, kniete auf dem Boden und sah zu ihm auf. Die Reise zu den Inseln und zurück war ihm lange vorgekommen, doch niemals wie zwei Jahre. Unmöglich. Andererseits … wenn sie auf den Grund hinabgesunken waren, um zu schlafen, war es wirklich stets nur eine Nacht gewesen?
    „Die Zeit vergeht im Meer anders“, flüsterte er. „Ich hätte nie gedacht, dass …“
    Ihm fehlten die Worte. Ungläubig strich er über Mayas zerstrubbeltes Haar, das ihr inzwischen bis zur Taille reichte. Zwei kostbare Jahre waren verstrichen, die er nicht mehr zurückholen konnte.
    „Wie ist das mit deinen Beinen?“ Sie strich nervös zitternd über seine Oberschenkel. Wie sehr ihn diese Berührung erregte, konnte Maya wohl kaum ermessen. Er musste sich auf die Lippe beißen, um nicht laut aufzuseufzen. „Wie lange kannst du diese Gestalt behalten?“
    „Mehrere Tage, dank meines menschlichen
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