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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau
Autoren: Britta Strauß
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weiter übrig, als geradewegs darüber hinwegzuschwimmen. Der Anblick des erstickten Meeresbodens war kaum zu ertragen. Auch das Wasser war so gut wie abgetötet. Gift war darin aufgelöst worden, drang in seine Haut ein. Er schmeckte den bitteren Geschmack auf seiner Zunge und erinnerte sich, dass man zur Eindämmung der Deepwater-Horizon-Katastrophe knapp sieben Millionen Liter Corexit in das Wasser gekippt hatte. Eine Chemikalie, die das Öl in der Tiefe binden und festhalten sollte. So störte es zwar nicht mehr das Menschenauge, bedeckte jedoch den Meeresgrund mit einer dicken, alles Leben erstickenden Schicht. Corexit wiederum war noch schädlicher und giftiger als das Öl selbst, sodass die scheinheilig als Rettungsaktion bezeichnete Aktion dem Meer endgültig den Todesstoß versetzt hatte.
    Christopher empfand eine kaum zu beherrschende Wut. Verrottende Kadaver lagen unter ihm, doch kein Jäger machte sich darüber her. Nicht einmal Schnecken oder Würmer überlebten in dieser vergifteten Welt. Über das Öl hinwegschwimmen zu wollen, stellte sich als Fehler heraus. Unaufhörlich nahm seine Haut das im Wasser gelöste Gift auf. Ihm wurde übel, seine Orientierungssinne versagten. Bald fand er seinen Weg nur noch, indem er regelmäßig auftauchte und den Verlauf der fernen Küste beobachtete. Städte und Häfen zeigten sich am Horizont, Kolonnen aus Containerschiffen und Trawlern, die weit hinausfahren mussten, um noch Fische zu finden.
    Seine Schwäche nahm zu. Bald war es, als bestünde sein Körper aus Blei und käme kaum mehr voran. Er dachte an Maya, um nicht in Panik zu verfallen, doch ein erstickender Film legte sich über seine Haut und machte das Atmen schwer. Er musste es schaffen. Er musste zu ihr zurückkehren. Immer weiter zwang er seinen Körper vorwärts, immer verzweifelter kämpfte er gegen die Wirkung des Giftes an, die ihm vollständig die Sinne zu rauben drohte.
    Endlich, als der Abend hereinbrach, sah er das Ende des Ölteppichs. Doch die Hoffnung auf Rettung endete in bitterer Gewissheit. Es war zu spät. Mit letzter Kraft kämpfte er sich zum hellen Sand, sank darauf nieder und spürte, wie die Dunkelheit nach ihm griff. Nichts konnte er ihr entgegensetzen. Jeder Gedanke endete in Schwärze, es gelang ihm nicht einmal, Mayas Bild in seinem Geist festzuhalten. Das Gift floss durch seinen Blutkreislauf. Viel zu viel. Es saugte ihm das Leben aus. Langsam und unerbittlich.
Isle of Skye, Jack’s Hütte
    A bgedeckt von einer Plane, die sie mit Steinen beschwert hatte, wartete ein Berg Zedernholz darauf, zum Kanu ihres Lebens verarbeitet zu werden. Doch bevor sie ihre Arbeit begann, musste sie zu sich selbst finden.
    Maya zündete ein Feuer im Kamin an und schob die Bücher beiseite, um sich auf den Boden setzen zu können. Sie trank grünen Tee und strich liebevoll über die Kleider, die sie in der Stadt gekauft hatte. Eine weite Hose und ein fließendes Hemd aus Baumwolle, beides in Schwarz. Stoff dieser Art war wohl am angenehmsten, wenn man es verlernt hatte, Kleidung auf der Haut zu tragen. In einer Truhe wiederum lag ein ganzer Berg an Schokoriegeln und Karamell-Schokolade, nur für den Fall, dass Christopher seiner artgerechten Nahrung noch immer untreu wurde.
    Sie zog die Schuhe aus und schauderte. Kälte musste während der nächsten Wochen gleichgültig werden, ebenso jede Art von Schmerz. Wer ein Kanu bauen wollte, musste den alten Regeln nach viele Dinge beachten. Weder schnitt noch kämmte man sich die Haare. Man fastete, lebte keusch und nahm jeden Morgen vor der Arbeit und jeden Abend nach der Arbeit ein Bad im Meer. So lange man das Kanu baute, sprach man nicht, klagte nicht und lebte nur vom Nötigsten, während man alleKraft in das Holz legte, aus dem man sein Lebenswerk erschaffen wollte.
    Nun, zumindest die Angelegenheit mit der Keuschheit würde leicht werden. Blieb nur zu hoffen, dass man sie während ihres wohlverdienten Urlaubs nicht störte und kein Reporter auf die Idee kam, bei ihr vorbeizuschauen. Das Handy hatte sie ausgeschaltet. Alan und Solander vertraten sie im Institut und waren entschlossen, ihr die Zeit zu geben, die sie brauchte.
    Wie White Elk es ihr damals beigebracht hatte, verbrachte sie die Nacht damit, ihren Geist von allem Ballast zu reinigen und ihre Gedanken zu klären. Als der Morgen dämmerte, errichtete Maya in der Nähe der Hütte einen etwas schiefen, aber robusten Unterstand. Einige im Institut hatten nach Darlegung ihrer Pläne behauptet,
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