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Mayabrut (German Edition)

Mayabrut (German Edition)

Titel: Mayabrut (German Edition)
Autoren: Frank Argos
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Lanzenottern ausweichen.
    Endlich hatten sie eine kleine Lichtung erreicht, die einst dem Kokaanbau gedient hatte. Ein sicheres Indiz dafür waren die rostigen Kerosin-Fässer und die zahlreichen Erdmulden, in denen zerfetzte Plastikplanen faulten. Am Rand stand ein halb verfallener mit Blättern bedeckter Unterstand, der an allen Seiten offen war. Dafür war das gesamte Innere mit Gestellen und Plastikfässern angefüllt. Hier hatte man die Bazuco, die aus dem Kokastrauch extrahierte Kokapaste, weiterverarbeitet.
    Chola ging hinein und schaute sich erstaunt um. Plötzlich kam sie freudestrahlend heraus und jubelte ihm zu: „Vidal, sieh doch mal, was für ein buntes Würmchen ich gefunden habe.“
    Cara erstarrte vor Schreck. Chola hielt keinen Wurm in der Hand, sondern eine Coral, die sich nervös hin und her wandte. Mit ihrer gelb-rot-schwarzen Zeichnung wies sie sich als hochgiftiges Reptil aus. Sofort fiel ihm ein Merkspruch für Korallenschlangen ein - folgt Gelb auf Rot, dann bist du tot.
    Er hatte sein Sprüchlein kaum zu Ende gedacht, als Chola aufschrie und die Schlange fallen ließ. Panisch stürzte er zu ihr, aber sie versuchte ihn zu beruhigen, das Würmchen habe sie ja nur gepiekt. Zwei stecknadelkopfgroße Blutstropfen quollen in Höhe ihrer Pulsader heraus. Er führte Cholas Arm an seinen Mund. Auch wenn er wusste, dass seine Aktion sinnlos, wenn nicht sogar gefährlich war, versuchte er, das Schlangengift aus der Bissstelle zu saugen.
    Chola ließ ihn überrascht gewähren. Er brach sein unsinniges Vorhaben ab und lief zu einer der Erdmulden. Hastig zerrte er eine Plastikplane heraus. Fahrig faltete er sie zusammen und zog sie in den Unterstand, dann legte er das Plastikbündel auf eines der Gestelle. Chola verfolgte verständnislos sein Treiben und wehrte sich auch nicht, als er sie auf die Plane bettete. Er beschwor sie, ruhig liegen zu bleiben, da sie von einer sehr giftigen Schlange gebissen worden sei und  nun viel Kraft für ihren Kampf gegen das Schlangengift benötige.
    Dann setzte er sich auf ein Plastikfass und hielt ihre Hand. Sie schaute ihn verwundert an: „Vidal, was hast du, ich fühle mich wirklich gut, ich bin nur etwas müde.“
    Er nickte traurig und wischte sich seine Tränen fort. Ihre Müdigkeit war ein frühes Vergiftungssymptom. Chola hatte nur eine Überlebenschance, wenn sie so schnell wie möglich ein Antiserum gespritzt bekam.
    Er war verzweifelt über diese irrsinnige Wendung. Gemein sam war ihnen die Flucht aus Sutins Gulag gelungen, sie hatten  einen Angriff mit Giftgas überlebt und nun endete hier ihr gemeinsamer Weg. Er weinte hemmungslos, denn er liebte diese tapfere, sanfte Frau, die er in seinen Träumen schon nach Hause geführt und seinem Bruder Juan vorgestellt hatte.
    Chola stöhnte laut auf und hielt sich den Bauch. Dies war ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Schlangengift bald Cholas Atmung lähmen würde. Seine Hände glitten unwillkürlich ineinander und er begann zu beten. Er, der große Don Emerald, der seit der Ermordung seiner Eltern keine Kirche mehr von innen gesehen hatte und den da oben höchstens noch mit ein paar derben Flüchen bedacht hatte, er fing jetzt an, zu flehen und zu bitten. Auch die Tiere des Dschungels schienen sich seiner stummen Geste anzuschließen, denn eine ehrfürchtige Stille trat in dem grünen Dom ein.
    Auf einmal ertönte ein blechernes Geschrei: „… er schießt, und Tooor! Eins zu null für Deportivo Cali. Deportivo Cali führt …“ Er sprang auf und rannte auf die plärrende Stimme zu. Irgendjemand musste hier in dieser grünen Wildnis Radio hören und dieser Unbekannte konnte - musste - Chola helfen. Rücksichtslos stürzte er durch dorniges Gestrüpp und schrie um Hilfe. Sein Gesicht und seine Arme wurden von Zweigen blutig gepeitscht, während seine Kleidung bald in Fetzen hing. Doch dann verstummte das Radio und er glaubte, das leise Tuckern eines Bootsmotors zu hören, und dann sah er seinen Erlöser vor sich. Ein kleiner Emberá-Junge saß in einem Aluminiumboot und tuckerte  gerade an ihm vorbei. Hinter dem Knaben stand ein Kofferradio, auf dem ein Aufkleber von Deportivo Cali prangte. Das Boot war beladen mit klaren Plastikkanistern, in denen sich Hunderte von bunten Fischchen tummelten.
    „Halt, eine Rabo de ajì hat meine Frau gebissen“, schrie e r dem Jungen hinterher. Erschrocken schaute er sich um und richtete eine Flinte auf ihn, worauf Cara seinen Hilferuf wiederholte.
    Jetzt ließ der
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