Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mayabrut (German Edition)

Mayabrut (German Edition)

Titel: Mayabrut (German Edition)
Autoren: Frank Argos
Vom Netzwerk:
1. Die Pyramide
     
    Kolumbien, Departement Córdoba
    Donnerstag, 16. August 2012
     
    Bedrohlich nah flogen die Kokasträucher am offenen Laderaum des Helikopters vorbei. Nun stieg der dunkelgrüne Huey steil in die Höhe und seine flirrenden Rotorblätter knallten ihr monotones Flapp-Flapp-Flapp über den kolumbianischen Nebelwald, unter dessen endlosem Blättermeer die Tiere verstummten.
    Ed Hover schaltete den Camcorder aus und steckte ihn in die Beintasche seines schwarzen Overalls zurück. Er blickte kurz auf seine Armbanduhr, in zehn Minuten würden sie Kokafeld G7 überfliegen. Lässig lehnte er sich an den Rahmen, ließ ein Bein  herausbaumeln und zündete sich eine Zigarette an. Unter ihm schlängelte sich der silbern glitzernde Río Esmeralda durch den Nationalpark von Paramillo. Auf einer Sandbank dösten zwei Kaimane, die den Fluglärm ignorierten. Hinter einer Flussbiegung tauchten die Schilfhütten der Emberá auf; ein urtümliches Volk von Fischern und Jägern, das jetzt einen lukrativen Holzhandel betrieb.
    Aus einer Kühlbox fummelte er ein Handtuch hervor, aus dem einige Schnüre und eine Cola-Dose ragten. An ihrem rot-weißen Blech waren vier Batterien mit Klebeband befestigt. Vorsichtig beugte er sich aus der Ladeluke, wartete und warf das Paket heraus. Das Handtuch öffnete sich und die Ladung schwebte an dem provisorischen Fallschirm herunter.
    Ein schokobrauner Emberá-Junge, dem der rechte Fuß fehlte, humpelte mit einer Krücke am Ufer entlang. Nun stoppte der Huey und so konnte er beobachten, wie sich der kleine Kerl mit der Krücke das herabschwebende Präsent angelte. Gierig öffnete er die Dose und prostete fröhlich nach oben.
    Ed mochte den Jungen, den alle nur Hincha, den Fußballfan, nannten. Er besaß ein Kofferradio, mit dem er alle Spiele von Deportivo Cali verfolgte. Einmal in der Woche versorgten sie ihn mit Batterien, und wenn es der Zeitplan erlaubte, landeten sie. Dann revanchierte sich der Vater des Zehnjährigen bei ihnen mit fangfrischem Fisch.
    Nun sank der Huey und aus dem Cockpit nickte ihm das kantige Gesicht Rons zu. Gleich würden sie Kokafeld G7 anfliegen; der Nationalpark von Paramillo war übersät mit Kokapflanzungen. Allein G7 hatte eine Fläche von vier Fußballfeldern. Trotzdem war die riesige Plantage aus der Luft kaum zu erkennen, da man die Kokasträucher in die Nähe von Kapokbäumen gepflanzt hatte, wo sie wie unter einer grünen Tarnkappe verschwanden.
    Erneut griff er sich den Camcorder. Luftaufnahmen gehörten zu den angenehmen Seiten seines Jobs. Seine Videoclips halfen ihrem Boss, Pablo Kabera, das Abernten oder Anlegen der Felder zu koordinieren.
    Mit Unbehagen dachte er an die Einsätze am Boden, ob es nun um das Sammeln von Pflanzenproben ging oder um das Absetzen von Kokabauern samt ihrem Equipment, denn dort unten wimmelte es von Minen. Sowohl die linksgerichteten FARC-Guerillas als auch die Drogenkartelle schützten ihre Koka-Pflanzungen mit SF-Antipersonen-Minen. Diese Hightech-Minen konnte man per Funk auch deaktivieren. Er traute diesen Dingern nicht, ein technischer Defekt oder ein menschlicher Fehler, und es wurden Gliedmaßen fressende Ungeheuer. Bedrückt starrte er auf die unter ihm vorbeifliegenden Pflanzenmassen - Tausende dieser Knochenfresser lauerten dort. Verbitterung stieg in ihm auf.
    Seine Wahlheimat war mittlerweile so mit diesen Killern durchseucht, dass Kolumbien den traurigen ersten Platz bei Minenopfern, gefolgt von Kambodscha und Afghanistan belegte. Und er schämte sich, denn sie lieferten dieses Dreckszeug auch in die letzte Dschungelecke. Besonders hart hatte es ihn getroffen, als er einem dieser Minenopfer begegnete – Hincha.
    Trotzdem hatten die Minen diesmal nichts genützt. „Damned, die haben G7 erwischt“, fluchte Ron vom Cockpit aus.
    Nun erschien die gelbbraune Ödnis auch auf seinem Display. Gegen den Giftregen der Regierungsflieger waren Hightech-Minen nutzlos. Der Unkrautvernichter Glyphosat hatte nicht nur den Kokapflanzen eine ungesunde herbstliche Färbung verpasst, auch die Kapokbäume zeigten schon das Gelbgrün des nahen Todes.
    Er beendete die Aufnahme und sinnierte. Was war aus ihrem Traum geworden, mit kleinen Kokain-Transporten das große Geld zu machen? Zwar türmten sich nun die Dollars auf ihren Konten, aber sie kamen nicht mehr raus aus diesem Drecksjob und aus diesem dreckigen Krieg; denn in Kolumbien tobte ein Krieg, ein Krieg, der den Dschungel mordete, ein Krieg, der die Menschen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher