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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein
Autoren: Margaret Allan
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Felsen riefen und lachten, als Blutgeruch von unten aufstieg.
    Einige der Männer lösten sich aus dem Jagdtrupp am Eingang der Schlucht und kletterten zu den Frauen hinauf, die ihnen Platz machten, und als diese zurückwichen, gaben sie den Blick auf Felsbrocken frei, die sie und die Kinder fast eine Woche lang für eben diesen Tag zusammengetragen hatten.
    Vor Erregung und Anstrengung knurrend, hob jeder der Jäger einen Felsbrocken auf und taumelte damit an den Klip penrand. Dort blieben sie stehen, stemmten den Stein hoch über den Kopf, um das todbringende Wurfgeschoß sodann mit einem langen, triumphierenden Heulen auf die sich hebende und senkende Masse tief unten zu schleudern. Zwischen den Felswänden in der Falle, die Schritte durch den sumpfigen Untergrund erschwert, blieb den Mammuts kein Ausweg. Die wenigen Tiere, denen es gelang, sich umzudrehen und den Versuch zu machen, den Weg, den sie gekommen waren, wieder zurückzugehen, sahen sich dem Rest der Jäger und ihren schrecklichen Speeren gegenüber.
    Knack!
    Die Frauen brüllten und jubelten, als eine alte Kuh in dem tödlichen Hagel zu Boden ging. Ihr zerschmetterter Schädel klaffte weit auseinander, weiße Knochen kamen zum Vorschein und darunter eine wäßrige, graue und rote Masse. Ihr gewaltiger Körper blockierte jegliche Rückzugsmöglichkeit in Richtung des Eingangs zur Schlucht. Der einzige Ausweg war nun der nach vorn, zum Fluß, und die Jäger und Frauen wußten, daß das keine Fluchtmöglichkeit war.
    Die kleinsten der Kinder drängten zum Rand der Klamm und kreischten dabei vor Freude. So jung sie auch waren, sie begriffen sehr wohl, daß das gräßliche Schlachtfest ihnen Nahrung lieferte - Berge heißen, dampfenden Fleisches und Schalen frischen, warmen Blutes. Ihre Mütter hatten wachsam ein Auge auf sie, versuchten jedoch nicht, ihnen den Anblick zu ersparen. Das war das Leben des Mammutvolks, unausweichlich mit dem Leben und dem Tod der Mammuts verwoben, die sie sowohl verehrten als auch jagten. Und die Kinder mußten diese Wahrheiten schon mit der Muttermilch aufnehmen, wenn das Volk überleben sollte.
    Die Jäger im Schluchtgrund stürzten sich auf den Rumpf der alten Kuh, deren Flanken sich immer noch hoben und senkten, und stießen ihre gezackten Steinspeere mit grausamer Kraft in ihren Bauch. Obwohl sie tödlich getroffen war und das Blut aus einem Dutzend schrecklicher Risse in ihrem Fleisch strömte, gelang es ihr, sich noch einmal hochzuwuchten, und schwang die zwei Meter langen, gebogenen Stoßzähne durch die Luft. Ein als besonders tapfer bekannter Jäger mit Namen Ko-Bak brüllte seinen Jagdschrei hervor und versenkte seinen langen Speer in ihrer Kehle. Noch während er zustieß, drehte er den Speergriff und bohrte die steinerne Spitze bis hinauf ins Gehirn des Tieres. Es war der Todesstoß; der Körper der Mammutkuh krümmte sich in einem mächtigen Zittern, bevor das Tier end gültig zusammenbrach. Der Boden um das Mammut herum war durchtränkt von seinem Blut, als die Jäger über den Kadaver kletterten, um ihren Angriff auf den Rest der Herde fortzu setzen, den Geruch nach Blut und Innereien und unvermittelt freigesetztem Tierkot in der Nase.
    Während das widerwärtige Massaker in der Schlucht seinen unerbittlichen Fortgang nahm, legte sich eine Art von zartem Schweigen über die letzte Ruhestätte des großen alten Mammuts, als stünde die Zeit eine Weile still.
    Dann waren die verschiedensten Geräusche zu vernehmen: das Rutschen von Steinen, das Schaben von Holz, angestrengte Atemzüge. Die Frauen und Kinder stiegen den Hang hinab; eifrig umklammerten ihre Hände scharf behauene Handäxte und Schlachtmesser. Kurz darauf, als die Mammutmutter den Rest der Herde tiefer in die Todesklamm führte, wurde damit begonnen, das Fleisch von den Knochen des ersten Opfers zu schneiden. Selbst die Kinder waren schon bald blutüberströmt, und als eine der Frauen mit triumphierendem Schrei tief in den Brustkasten des Mammuts griff, um sein triefendes Herz herauszureißen und es hoch über ihrem Kopf zu schwenken, jubelten alle.
    Ga-Ya beugte sich vor. Die Sonne erschien ihr unerträglich heiß. Selbst ihre alte Nase konnte den Geruch des Blutes riechen. Die Jagdgeräusche waren schwächer geworden, erstickt von den Felswänden der Kluft und der sumpfigen Senke zum Fluß hinunter. Ga-Ya blieb ein paar Augenblicke so sitzen, den Kopf vornübergebeugt, und eine unaussprechliche Traurigkeit erfüllte ihr Herz. Sie hegte keine
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