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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein
Autoren: Margaret Allan
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Illusionen ob der Notwendigkeit dessen, was ihre Magie bewirkt hatte. Das Volk mußte essen, denn vor allem anderen mußte es überleben. Trotzdem verspürte sie eine Verbundenheit mit der zum Tode verurteilten Mammutmutter. Ga-Ya und sie führten jede ihren Stamm auf ihre Weise, und beide wollten sie dasselbe. Nur das gewundene Schicksalsseil, das die Große Mutter selbst webte, ließ es geschehen, daß ihrer beider Geschicke so miteinander verschlungen waren.
    »Aaieeel Töte ihn! Töte ihn!«
    Der jähe, furchterfüllte Schrei schreckte sie aus ihren Träumen hoch. Weit riß sie die Augen auf. Sie wandte den Kopf auf ihrem alten, dürren Hals hin und her, wußte für eine Weile nicht, wo sie war. Dann sah Ga -Ya sie; Be-Dag und Ku-Yak und das von ihnen gejagte Mammut, ein einziges schreiendes, kreischendes Knäuel von Leibern, weniger als zehn Stocklängen von ihrem Standort hoch oben auf dem Geisterpfahl entfernt.
    Sie sah, wie Ku-Yak das verwundete Mammut umkreiste und wild seinen Speer schleuderte. Die schwere Spitze riß die dicke Haut des Mammuts auf, schuf eine klaffende, pulsierende Wunde, prallte von dem festen Fleisch darunter ab. Das Mammut schrie vor Schmerz auf, stieb jedoch mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Völlig kopflos vor Furcht richtete es seinen Angriff geradewegs auf Be-Dag, der unsicher zurückwich und versuchte, den aufwärts gebogenen Stoßzähnen und dem mächtigen Rüssel des sterbenden Bullen auszuweichen.
    »Be-Dag!« rief Ga-Ya. »Geh ihm aus dem Weg! Zurück! Es wird bald sterben! Mach, daß du von ihm wegkommst!«
    Doch der junge Jäger, angespornt durch die erfolgreichen Angriffe, die sein Freund erzielt hatte, war entschlossen, auch einen, den entscheidenden, Treffer zu landen. Entweder hörte er Ga-Ya nicht, oder er ignorierte ihre Warnungen, denn er erhob wieder seinen Speer und versuchte, den tödlichen Stoß in die Kehle auszuführen. Das junge Mammut schwenkte seinen ehrfurchtgebietenden Kopf hin und her, war möglicherweise nicht einmal in der Lage, seinen Feind zu sehen; doch einer seiner noch nicht ausgewachsenen Stoßzähne, die ziellos durch die Luft schnitten, erwischte Be-Dag an der Schulter.
    Für Ga -Ya, von ihrem Platz über dem Geschehen, sah es so aus, als verlangsame der Ablauf der Zeit sich vorübergehend, wie es oftmals geschah, wenn sie in die Traumzeit eintrat. Sie blinzelte verwundert, während die Bilder des Grauens, eins nach dem anderen, vor ihr abliefen.
    Der spitze Stoßzahn durchdrang Be-Dags Karibumantel und das darunterliegende Fleisch, als sei es geschmolzenes Fett. Er schnitt sich seinen Weg schräg nach unten, kam Be-Dags Herz gefährlich nah.
    Der junge Jäger brüllte in Todesqualen auf. Der Mammutbulle schleuderte sein Haupt hoch und ließ es wieder hinabsausen. Die Kraft dieser Bewegung ließ seinen Stoßzahn vollständig durch Be-Dags Körper dringen und ihn dann den Rumpf von der Mitte bis zur Seite ganz durchtrennen. Der Körper des Jägers flog in hohem Bogen durch die Luft, vielleicht zwei Menschenlängen über dem Boden. Ga -Ya konnte deutlich erkennen, wie eine Fontäne von Blut aus dem riesigen Loch in Be-Dags Seite spritzte. Erneut trompetete das Mammut markerschütternd und wankte vorwärts.
    Ku-Yak schrie auf vor Pein, als er den Freund sterben sah, und bückte sich nach seinem Speer. Ga -Ya konnte seine verzerrten Züge erkennen, als er sich ein letztes Mal in den Angriff stürzte und die lange, schwere Waffe zwischen den Rippen des wild um sich schlagenden Mammuts versenkte.
    Es war ein glücklicher Stoß, denn diesmal wehrte der Brustkästen des verwundeten Tieres die Speerspitze nicht ab, sondern sie schnitt leicht durch Haut und Muskelfleisch und bloßgelegte weiße Sehnen, um dann die weichen, lebenswichtigen Organe darunter zu erreichen.
    Ein letztes Mal erhob das Mammut seine Stimme, doch sein Ruf zerriß jäh, als die Botschaft des nahen Todes von seinem Herzen zu seinem winzigen Hirn gelangte. Bereits tot, obwohl er noch auf den Beinen stand, taumelte der Jungbulle vorwärts, drehte sich wie im Kreis und brach vor dem Geisterpfahl zusammen.
    Ga-Ya spürte, daß ihr Sitz wild schwankte, und sich dann zur Seite neigte.
    Das letzte Stückchen Welt, das sie sah, war der noch pulsierende, blutige Mammutkadaver, der sich ihr entgegenzurecken schien.
    Und dann Dunkelheit.
    Sie hatte keinen Namen, zumindest keinen, der ihr als solcher bewußt gewesen wäre. Wenn sie überhaupt an sich selbst dachte, war es einfach als
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