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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition)
Autoren: Dirk Kaesler
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heteronome und amorphe Herde dar, die erst durch ihre politischen Führer zu ihrem eigenen Nutzen geleitet wird. Nichtsdestotrotz war Weber weit entfernt vom höhnischen Defätismus jener Elitetheoretiker wie etwa seine italienischen Kollegen Vilfredo Pareto und Robert(o) Michels. Zwar prägten auch bei ihm Cliquenwirtschaft, Intrigen und politische «Maschinen» die Anschauung der Demokratie, doch erfüllte diese Herrschaftsform in seinen Augen die an sie gestellten Ansprüche immer noch besser als alle anderen Regierungsformen. In seinen Analysen als ein Techniker der Machtpolitik, der sich am Maßstab von Effizienz und Effektivität orientiert, hinterlässt Weber bei manchem Leser den Eindruck der nackten Kälte des Machtkalküls ohne normative Maßstäbe. In seinen tagespolitischen Schriften schimmert jedoch immer wieder der Glaube an die Wirksamkeit der demokratischen Ordnung hervor. So zum Beispiel dann, wenn er den «hohen Stand der politischen Erziehung des englischen Volkes» bewundert und mit den Defiziten seiner eigenen Landsleute vergleicht. Bei seiner Kritik an den zu seiner Zeit herrschenden Verhältnissen hat er gerade das Versagen seiner eigenen Herkunftsschicht im Visier und weist der Aristokratie und deren mächtigstem Repräsentanten, Otto von Bismarck, die Schuld dafür zu. Anklagend formulierte er bereits in seiner Freiburger Antrittsvorlesung: «Nicht ökonomische Gründe, auch nicht die vielberufene ‹Interessenpolitik›, welche andere Nationen in nicht geringerem Maße kennen als wir, sind schuld an der politischen Unreife breiter Schichten des deutschen Bürgertums, der Grund liegt in seiner unpolitischen Vergangenheit, darin daß die politische Erziehungsarbeit eines Jahrhunderts sich nicht in einem Jahrzehnt nachholen ließ und daß die Herrschaft eines großen Mannes [Bismarck] nicht immer ein Mittel politischer Erziehung ist. Und die ernste Frage für die politische Zukunft des deutschen Bürgertums ist jetzt: ob es nicht nunmehr zu spät ist, sie nachzuholen.»
    Die Hoffnung auf eine umfassende politische Erziehung versöhnte Weber mit der demokratischen Idee, nämlich die Kontrolle einer immer expansiver werdenden Bürokratie: «Nur Ausschüsse eines mächtigen Parlaments sind die Stätten und können sie sein, von wo jener erzieherische Einfluß ausgeübt werden kann.» Diese vorsichtig-skeptische Hoffnung, die Weber hier äußerte, entspricht vielleicht nicht dem Ideal, das heutzutage als «Erziehung zum mündigen Bürger» beschworen wird. Die praktische Politik wird nach seiner Ansicht immer unter der Kontrolle von Bürokratie und politischer Elite verbleiben, für die Masse des Volkes besteht in der Demokratie jedoch durch die offeneren Strukturen und eine fortschreitende politische Erziehung ein gewisses – wenn auch notwendigerweise eingeschränktes –Maß an Kontrolle des politischen Geschehens. Dass Weber genau in dieser Aufgabe seine ganz persönliche Mission sah, wurde ebenfalls bereits in Freiburg deutlich: «Für jetzt aber sehen wir eines: eine ungeheure politische Erziehungsarbeit ist zu leisten, und keine ernstere Pflicht besteht für uns, als, ein jeder in seinem kleinen Kreise, uns eben dieser Aufgabe bewußt zu sein: an der politischen Erziehung unserer Nation mitzuarbeiten […]»
    Die bis hierher skizzierte Begriffsarchitektur gehört – neben den religionssoziologischen Arbeiten Webers – zum konstitutiven internationalen Gemeingut der Soziologie. Für alle genannten «Spezialsoziologien» – Rechtssoziologie, Wirtschaftssoziologie, Religionssoziologie, Herrschaftssoziologie, Stadtsoziologie, Musiksoziologie –, aber auch für viele Untergliederungen innerhalb dieser Bereiche – beispielsweise eine Soziologie der Bürokratie, die Soziologie der politischen Parteien, die Schichtungs- und Mobilitätsforschung – diente das große Werk Webers bis heute zumeist als «Steinbruch» für die Begründung oder Bestätigung aktueller Forschungen, auch wenn die Rezeption naturgemäß bis heute außerordentlich selektiv und willkürlich verläuft. Abschließend soll daher weder eine schematische Wiedergabe der Ergebnisse noch eine Gesamtwürdigung versucht, sondern auf einige wesentliche Punkte hingewiesen werden:
    1.) Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt sich mit den wechselseitigen und prozesshaften Beziehungen von Gesellschaft, Recht, Religion, Wirtschaft und Herrschaft. Grundlegend ist dabei ein sozialökonomischer Ansatz.
    2.) Das in seiner Allgemeinen
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