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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition)
Autoren: Dirk Kaesler
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modernen Bürokratie erst die Grundlage, auf der sich der moderne, rationale (Betriebs-)Kapitalismus entwickeln konnte. Der Fortschritt des bürokratisch organisierten kapitalistischen Staates war auf die rationale, an festen Regeln orientierte Verwaltung angewiesen, da nur sie die unerlässlich notwendige Rechtssicherheit bereitstellt.
    Andererseits sah Weber in der Entwicklung der Bürokratien die größte Gefahr sowohl für die Politik als auch für die Entfaltungsmöglichkeiten freier Bürger. Daher schien ihm die Kontrolle dieser «Niemandsherrschaft» (Hannah Arendt) als die dringlichste Aufgabe künftiger Gesellschaftsentwicklung. Die von ihm herbeigewünschten charismatischen «Führer»-Naturen sollten ebendas leisten: Kontrolle und Eindämmung der Bürokratie durch ihr Charisma. Das korrekturbedürftige politische Problem ergab sich für Weber aus der besonderen Leistung der Bürokratie, ihrem «Maschinen»-Charakter, d.h. ihrer Verlässlichkeit und Effektivität im Vollzug, für die die bedingungslose Unterordnung der Beamten unter die Vorschriften und Gesetze notwendig ist. Aus diesen Überlegungen heraus wurde die Kontrolle dieser Bürokratie ein wesentlicher Baustein zur Begründung des Weber’ schen Konzepts einer «cäsaristischen Führerherrschaft». Allein der plebiszitär legitimierte politische Führer ist nach Webers Überzeugung jene Instanz, die in überzeugender Weise Einfluss auf das Heer der Verwaltungs- und Parteibeamten ausüben kann. Dies gelingt dem Führer nicht zuletzt aufgrund seiner charismatischen Persönlichkeit und – damit verbunden – seiner demagogischen Befähigung: «Führer wird nur derjenige, dem die Maschine folgt, auch über den Kopf des Parlaments. Die Schaffung solcher Maschinen bedeutet, mit anderen Worten, den Einzug der plebiszitären Demokratie.»
    Weber sah durchaus die Probleme, die eine führerzentrierte Demokratie mit sich bringt. Schon unter dem politischen Einfluss des Kanzlers Bismarck hatte er eine Nation von Bürgern erlebt, denen jede politische Erziehung mangelte. Die Machtstellung eines «kriegerischen Volkshelden», wie der spätere Reichspräsident von Hindenburg einer war, lag für ihn «auf dem Wege zu jenen ‹reinen› Formen cäsaristischer Akklamation». Obwohl er die plebiszitäre Machtstellung dieses Führertums betonte, dessen Einfluss «auf der Tatsache des Vertrauens der Massen, nicht der Parlamente beruht», setzte er seine Hoffnung einer Kontrolle und Begrenzung der Macht des politischen Führertums auf ebendieses übergangene Parlament. Genau diese Ideen sind es, die Max Weber nicht zu einem «Vordenker» des diktatorischen Führerstaats machen, wie ihm verleumderisch nachgesagt wurde. Der Reichskanzler Adolf Hitler, den er nicht mehr erleben musste, ist gewiss nicht sein Modell für den Idealtyp eines charismatischen Staatsmannes, sondern sehr viel eher der britische Premierminister William Ewart Gladstone, der nach Webers Lesart in der Lage war, sich im Zeitalter demokratischer Massenstaaten charismatisch zu bewähren.
    Webers Auseinandersetzung mit der Demokratie bewegte sich zwischen den Polen einer Entzauberung politischer Ideale zugunsten einer kalten Machtanalyse einerseits und dem Glauben an die Wirksamkeit demokratischer Erziehungsarbeit andererseits. Er kann darum nicht einfach zu den Demokratieverächtern unter seinen Zeitgenossen gezählt werden. So sah er in der parlamentarischen Demokratie mit plebiszitären Mechanismen die Möglichkeit zur Verwirklichung einer prinzipiellen Chancengleichheit. Ungleichheit wird nicht aufgehoben, sondern bleibt als funktional bedeutender Bestandteil jeder Gesellschaft erhalten. Leistungsfähigkeit korrelierte für Weber mit einer als unabwendbar betrachteten Ungleichheit der Menschen, selbst im Parlament: «Die ganze breite Masse der Deputierten fungiert nur als Gefolgschaft für den oder die wenigen ‹leader›, welche das Kabinett bilden, und gehorcht ihnen blind, solange sie Erfolg haben. Das soll so sein. Stets beherrscht das ‹Prinzip der kleinen Zahl›, d.h. die überlegene Manövrierfähigkeit kleiner führender Gruppen, das politische Handeln. Dieser cäsaristische Einschlag ist (in Massenstaaten) unausrottbar.»
    Kritisch betrachtet, wird hier das Staatsvolk – die «Masse» der Menschen – von Weber zu dem erklärt, was schon das griechische Wort suggeriert, nämlich zum Brotteig («maza»), den man kneten («massein») muss. Die Masse stellt demnach nicht viel mehr als eine
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