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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition)
Autoren: Dirk Kaesler
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einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen ruhen (charismatische Herrschaft).
    Im Fall der satzungsmäßigen Herrschaft wird der legal gesatzten sachlichen unpersönlichen Ordnung und dem durch sie bestimmten Vorgesetzten kraft formaler Legalität seiner Anordnungen und in deren Umkreis gehorcht. Im Fall der traditionalen Herrschaft wird der Person des durch Tradition berufenen und an die Tradition (in deren Bereich) gebundenen Herrn kraft Pietät im Umkreis des Gewohnten gehorcht. Im Fall der charismatischen Herrschaft wird dem charismatisch qualifizierten Führer als solchem kraft persönlichen Vertrauens in Offenbarung, Heldentum oder Vorbildlichkeit im Umkreis der Geltung des Glaubens an dieses sein Charisma gehorcht.»
    Es muss darauf hingewiesen werden, dass diese «Legitimität» einer Herrschaft – ähnlich wie die «Geltung» einer Ordnung – von Weber immer nur als «Chance dafür in einem relevanten Maße gehalten und praktisch behandelt zu werden», bestimmt wurde. Im Anschluss an die Behandlung des Typus der charismatischen Herrschaft entwickelte Max Weber seine These der «Veralltäglichung des Charisma»: Bleibe zwischen Herrschaftsinhaber («Charismatischer Führer») plus seinem Verwaltungsstab und den Herrschaftsunterworfenen die soziale Beziehung «charismatische Herrschaft» für eine längere Zeitspanne bestehen, so ändere sich der Charakter dieser sozialen Beziehung wesentlich. Die möglichen Richtungen dieser Änderung waren für Weber entweder eine Traditionalisierung oder eine Legalisierung («Rationalisierung») der sozialen Beziehungen.

XI Charisma und Bürokratie. Das Konzept der «plebiszitären Führerdemokratie»
    Wie gezeigt, diente der Grad der jeweils erreichten «Rationalisierung» – ob nun im Bereich der Wirtschaft, der Religion, der Herrschaft oder des Rechts – Max Weber als Maßstab im historischen Entwicklungsprozess menschlicher Gesellschaften. Gerade bei seiner politischen und analytischen Einordnung der von ihm rekonstruierten Prozesse fokussierte sich sein Interesse zunehmend mehr auf den dialektischen Zusammenhang von Charisma und Bürokratie. Unter Verwendung seiner Typologie der (legitimen) Herrschaft wandte sich Weber als Ausgangspunkt für seine Untersuchung der historischen Entwicklungsstufen demokratischer Herrschaftsformen der «herrschaftsfremden Umdeutung des Charisma» zu. Dafür betrachtete er zwei Typenreihen von Demokratie, «welche durch das Streben nach Minimisierung der Herrschaft des Menschen über den Menschen» charakterisiert sind: die Formen der «plebiszitären Führerdemokratie» und diejenigen der «führerlosen Demokratie». Das größte Problem für die Minimisierung der Herrschaft war nach Webers Einschätzung nicht die Willkür despotischer Herrschaftsinhaber, sondern das stetige Anwachsen der Bürokratie. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema war sowohl für seine tagespolitischen Schriften als auch für seine Allgemeine Soziologie von eminenter Bedeutung.
    Spätestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts kam es auch in den deutschen Territorien zu einer Ausdifferenzierung und Expansion nicht nur der öffentlichen, sondern auch der privaten Verwaltung. Weber wies darauf hin, dass die Tätigkeit als Angestellter in einem privaten Wirtschaftsbetrieb oder in einer politischen Partei nicht mehr grundsätzlich von der eines staatlichen Beamten zu unterscheiden sei und dass es für die Herrschaftsunterworfenen einigermaßen gleichbedeutend sei, da sie sich in jedem Fall in ihrer «sozialen Ohnmacht unter den Fittichen der einzigen ganz sicher unentfliehbaren Macht: der Bürokratie in Staat und Wirtschaft» befinden.
    Historisch betrachtet gilt, dass die in modernen Staaten selbstverständliche Unterscheidung zwischen staatlichen Beamten und Angestellten sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich herausbildete. Eine Ahnung von der zunehmenden Bedeutung der Bürokratie lässt sich erlangen, betrachtet man allein die zahlenmäßige Entwicklung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu Lebzeiten Webers: Die Zahl dieser Personen stieg – ohne Militär – von 815.000 im Jahr 1882 auf 2.042.000 im Jahr 1907 an. Dieser Anstieg entspricht dem Vierfachen der Bevölkerungszunahme dieser Zeit. Mit Nachdruck verwies Weber auf den wechselseitigen Zusammenhang von Industrialisierung und zunehmender Bürokratisierung, die die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte. Einerseits lieferte die Entstehung einer
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