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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition)
Autoren: Dirk Kaesler
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ihrem Vater in Lemgo bzw. zeitweilig bei Großmutter und Tante väterlicherseits. Sie besuchte die Städtische Töchterschule in Lemgo und eine Höhere Töchterschule in Hannover. Nach dem Tod der Großmutter 1889 und einigen Jahren als «Haustochter» bei den Verwandten in Oerlinghausen zog sie 1892 nach Charlottenburg, ebenfalls als «Haustochter» bei Max Webers Eltern, wo sie Max Weber junior näher kennenlernte.
    Verwandtenheirat war ein Grundelement des bürgerlichen Familienkapitalismus. So war die «Cousinenheirat» eine zu dieser Zeit überaus geläufige Verbindung, auch die Verbindung zwischen Nichte und Onkel erregte allenfalls dann die Gemüter, wenn der Altersabstand als zu groß wahrgenommen wurde, was bei der ehelichen Verbindung zwischen dem 29-jährigen Max Weber und der 23-jährigen Marianne Schnitger nicht der Fall war. Der Heiratsmarkt des deutschen Großbürgertums gegen Ende des 19. Jahrhunderts war bestimmt von impliziten Regeln, die sich sowohl aus den bürgerlichen Aufstiegsbedürfnissen als auch aus der defensiven Haltung einer Aristokratie ergaben, die ihren Status gegen die organisierte Titelinflation zu bewahren versuchte. Die gesellschaftlich akzeptierte Wahl eines Gatten oder einer Gattin war in jedem gesellschaftlichen Milieu begrenzt, in der «gehobenen Gesellschaft», zu der die gutbürgerliche Familie Weber gehörte, wurden die Ehen im Regelfall arrangiert oder zumindest von den Eltern und den Anwälten der beiden Familien in die Wege geleitet. Die Verhandlungen über die wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte der Ehe erwiesen sich als von großer Bedeutung, wie man an dem komplizierten Ehevertrag zwischen Max Weber und Marianne Schnitger ablesen kann. Die Eltern von Max Weber verfolgten die Beziehung mit moderatem Wohlgefallen, die Mutter von Max Weber begleitete das Paar in jeder Hinsicht bis zu ihrem Tode im Jahr 1919.
    Während seiner fünf Freiburger Semester war Max Weber enorm mit Lehrverpflichtungen beladen: Er und sein Kollege Gerhart von Schulze-Gaevernitz wechselten sich ab bei den drei Hauptvorlesungen (Allgemeine («theoretische») Nationalökonomie, Praktische Nationalökonomie, Finanzwissenschaft); gemeinsam boten sie in jedem Semester ein «Kameralistisches Seminar» an. Die Volkswirtschaftslehre war zu dieser Zeit an der Freiburger Universität als Disziplin alles andere als fest etabliert, Max Webers Lehrstuhl war anfangs in der Philosophischen Fakultät angesiedelt, wurde dann in die Juristische Fakultät verlagert, und erst in Webers Zeit – wesentlich auf sein Betreiben hin – kam es im Sommersemester 1896 zur Bildung einer neuen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät – gewürdigt durch die Ehrenpromotion für Max Webers akademischen Lehrer, August Meitzen.
    Von Marianne Weber wissen wir, dass der frisch ernannte Professor vom Umfang der Lehre überrascht war, sodass er sich als «gehetztes Wild» wahrnahm, als er nun «zum erstenmal bei sich selbst die großen nationalökonomischen Vorlesungen» hört. Selbstkritisch äußerte er sich seinem Fachkollegen Adolph Wagner gegenüber, dass er sich «auf 9/10 des Gebietes, das ich vertreten soll, als Anfänger» einschätzte. Die umfangreiche Vorlesung über Allgemeine Nationalökonomie, die Weber bereits in seinem ersten Semester 1894/95 hielt, gehörte zum obligatorischen Lehrkanon. Für den bis dahin als Jurist qualifizierten Weber bedeutete dies, sich nicht nur binnen kürzester Zeit ein ihm fachfremdes Gebiet zu erschließen, sondern dieses auch unmittelbar mit Dienstantritt zu lehren. Weber erleichterte sich die Arbeit dadurch, dass er das in Freiburg eingeführte Lehrbuch seines unmittelbaren Vorgängers, Eugen von Philippovich, heranzog und dessen Gliederung seiner eigenen Vorlesung zugrunde legte. Methodisch bezog Weber Stellung zwischen den herrschenden Schulen der zeitgenössischen Nationalökonomie und richtete die Behandlung seines Stoffes stark historisch aus. Marianne Weber berichtet, wie ihr Mann, zumindest ab der zweiten Wiederholung seiner Vorlesung, immer sicherer wurde: «er beherrscht ja nun seine Disziplin und hat selbst Freude an dem durchsichtigen, streng gegliederten Aufbau seiner großen Vorlesungen über theoretische und praktische Nationalökonomie, Agrarpolitik, Arbeiterfrage. Seine Kollegien sind stets sorgfältig disponiert, im übrigen aber überlässt er sich in freier Rede den Eingebungen des Augenblicks: das strenge Begriffsgerüst wird mit der Fülle historischen
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