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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition)
Autoren: Dirk Kaesler
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Brutalität meiner Ansichten», verkündete Weber darin sein damaliges wissenschaftliches und politisches Credo. Inhaltlich sich an der Analyse der ostelbischen Agrarverhältnisse orientierend, benutzte er die Gelegenheit, scharfe Attacken gegen die verschiedenen Schulen der damaligen Nationalökonomie zu reiten. Er wandte sich gleichermaßen gegen die naiv-eudämonistischen «Kathedersozialisten» wie gegen die ethisch-kulturell orientierte Nationalökonomie eines Gustav von Schmoller. Demgegenüber forderte er eine klare Orientierung an nationalstaatlichen Wertmaßstäben: «Die Volkswirtschaftspolitik eines deutschen Staatswesens, ebenso wie der Wertmaßstab des deutschen volkswirtschaftlichen Theoretikers können deshalb nur deutsche sein.»
    In dieser Rede bediente Weber sich einer nationalistischen Sprache in einer Begrifflichkeit, die starke Anleihen beim Gedankengut des Neukantianers Friedrich Albert Lange machte. Weber bekannte sich nachdrücklich zur «Realpolitik» und zum deutschen Imperialismus, wobei er in Großbritannien das politische Vorbild für Deutschland sah. In dieser flammenden Rede bescheinigte Weber sowohl der Arbeiterschaft als auch dem Bürgertum ein Versagen vor den nationalen Aufgaben. Weber erweist sich in dieser Phase seines Denkens, Schreibens und Verkündens – innerhalb und außerhalb des akademischen Raums – als ein (unkritisches) «Kind seiner Zeit», ein Protagonist des weitverbreiteten Sozialdarwinismus, der die Parolen von der Notwendigkeit der territorialen Ausdehnung der politischen Macht Deutschlands nachplapperte.
    Allein die Tatsache, dass Max Weber Mitglied wurde im von Alfred Hugenberg im gleichen Jahr gegründeten Allgemeinen Deutschen Verband, der sich unter seinem Vorsitzenden Ernst Hasse ab 1894 Alldeutscher Verband nannte, ist aussagekräftig genug. Und es wird nicht besser, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass er seine Untersuchungsergebnisse auf dessen erstem Verbandstag im September 1894 in Berlin vortrug, was ihm deren Anerkennung als «einer der besten Kenner der östlichen agrarischen Verhältnisse» eintrug. Wirklich erhellend ist es nachzulesen, dass Weber 1899 aus diesem Verband austrat, weil ihm dieser einen zu wenig kompromisslosen Kurs in der «Polenfrage», dieser «Lebensfrage des Deutschtums», verfolgte, wie er in seinem Austrittsschreiben an den Vorsitzenden Hasse schrieb: «Die Rücksichtnahme auf die Geldinteressen des agrarischen Kapitalismus […] geht dem Verbande über die Lebensinteressen des Deutschtums. Um die Freiheit zu gewinnen, dies bei Gelegenheit auch öffentlich zu statuiren, trete ich aus.»
    In Webers Augen galt es, das Deutschtum und seine Kultur zu schützen vor einer «slawischen Überflutung», die einen «Kulturrückschritt von mehreren Menschenaltern bedeuten würde». In seiner Freiburger Antrittsvorlesung schlug er die Mittel zur Verhinderung solcher Überfremdung vor: Wenn man davon ausgehe, dass «die physischen und psychischen Rassendifferenzen zwischen Nationalitäten im ökonomischen Kampf ums Dasein» eine zentrale Rolle spielten, wenn es also nicht um Frieden und Menschenglück gehe, das man den Nachfahren mit auf den Weg zu geben habe, sondern um den «ewigen Kampf», dann könne es nur noch um eines gehen: «die Erhaltung und Emporzüchtung unserer nationalen Art». Darum gelte es, ebenjene deutschen Eigenschaften zu erhalten, die das Überleben im «öden Ringen» mit einer «tieferstehenden Rasse», ebender «slawischen Rasse», garantieren könne. Nur so sei es den Deutschen möglich, ihre weltpolitischen Aufgaben zu erfüllen und die «Last einer großen Nation» zu übernehmen. Weber präparierte nicht nur wissenschaftlich-analytisch die Alternative heraus zwischen entweder mehr deutscher bäuerlicher Bevölkerung oder mehr deutschem Korn, er gab klare Anweisungen für die Politik. Wir wissen nicht wirklich, was Weber im Sinn hatte, als er 1913 schrieb, dass er sich mit seiner Freiburger Rede «in vielen wichtigen Punkten nicht mehr identifizieren» könne – vielleicht war sie ihm nachträglich nicht radikal genug ausgefallen?
    Zur Nicht-Beruhigung lese man mindestens jene zehn Verweise unter dem Stichwort «Herrenvolk», die in der Sammlung der Schriften und Reden Max Webers während des Ersten Weltkriegs auftauchen: Sie kreisen alle, geradezu gebetsmühlenartig, um den einen, mehrfach wiederholten Satz: «Nur Herrenvölker haben den Beruf, in die Speichen der Weltentwicklung einzugreifen.» Die historische
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