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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn
Autoren: K Marlantes
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erwartet, dass er Kampfeinsätze führte. In der Basic School hatte ihm kein Mensch gesagt, dass er es mit schwarzen Nachwuchs-Bürgerrechtlern und weißen Proleten aus Georgia zu tun bekäme. Warum konnten die Navy-Sanitäter nicht klipp und klar sagen, ob Kopfschmerzen echt waren oder nicht? Angeblich waren sie doch die Gesundheitsexperten. Hatten sich die Zugführer auf Iwojima auch mit solchem Mist befassen müssen?
    Mellas stapfte langsam bergauf, neben sich Fisher, unvermeidlich gefolgt von Hamilton mit dem Funkgerät, und ihm war das Geräusch peinlich, mit dem sich seine Stiefel aus dem Morast lösten, denn er befürchtete, dass das auf den Umstand aufmerksam machen würde, dass sie noch immer schwarz waren und glänzten. Um davon abzulenken, beschwerte er sich bei Fisher über den Maschinengewehrschützen der Gruppe, Hippy: Der hatte zu viel Lärm gemacht, als Fisher das Maschinengewehr an die Spitze der kleinen Kolonne beordert hatte, weil der vorderste Mann meinte, er habe etwas gehört. Die bloße Erwähnung des Beinahe-Gefechts mit einem Feind, den er bisher noch nicht gesehen hatte, versetzte sein Inneres wieder in Aufruhr; die Vibration der Angst glich einer starken elektrischen Spannung, die sich nirgendwo entladen konnte. Ein Teil von ihm war erleichtert darüber, dass es nicht zur Feindberührung gekommen war; ein anderer Teil aber gab sich verschnupft, dass der Lärm sie vielleicht um eine Gelegenheit zum Kampf gebracht hatte, und diese Verschnupftheit wiederum ärgerte Fisher.
    Als sie ihre übliche Position innerhalb der Stellungen der Kompanie erreichten, merkte er, dass Fisher seine Verärgerung kaum im Zaum halten konnte, da er die drei Stöcke, die er unterwegs für sich und zwei Freunde besorgt hatte, einfach auf den Boden pfefferte. Sie waren das Rohmaterial für sogenannte Short-Timer-Stöcke, aufwendig beschnitzte Wanderstöcke, ungefähr vier Zentimeter im Durchmesser und einen bis anderthalb Meter lang. Einige dienten schlicht als Kerbhölzer, andere waren regelrechte Kunstwerke. Jeder Stock wurde so markiert, dass er anzeigte, wie viele Tage sein Besitzer von seiner dreizehnmonatigen Dienstzeit schon überlebt und wie viele er noch abzureißen hatte. Der Lärm, den Fisher beim Abhacken der Stöcke mit der Machete verursacht hatte, hatte ihn ebenfalls beunruhigt, aber er hatte nichts gesagt. Er war noch immer in einer heiklen Position: Als Zugführer hatte er nominell das Kommando über den Spähtrupp, aber bis er richtig eingefuchst war, hatte er laut Befehl von Lieutenant Fitch, dem Kompaniechef, alles zu tun, was Fisher sagte. Mellas hatte den Lärm hingenommen, aus rein pragmatischen Gründen. Zum einen hatte Fitch gesagt, dass Fisher das Kommando hatte, warum also sollte er sich Fitch widersetzen? Fitch war derjenige, der Mellas zum Executive Officer, zum stellvertretenden Kompaniechef, befördern konnte, wenn Second Lieutenant Hawke turnusgemäß versetzt wurde. Damit käme er als Nachfolger des Kompaniechefs infrage – sofern Hawke das nicht selbst werden wollte. Und zum anderen war er sich nicht sicher gewesen, ob der Lärm wirklich gefährlich war, aber keine dämlichen Fragen zu stellen, war ihm wichtiger gewesen, als das herauszufinden. Zu viele dämliche Kommentare und dumme Fragen in diesem Stadium könnten es ihm erschweren, den Respekt der Männer zu gewinnen, und voranzukommen, war sehr viel schwerer, wenn die Truppe einen nicht mochte oder für unfähig hielt. Dass Hawke, sein Vorgänger, vom Zug regelrecht verehrt worden war, erleichterte ihm die Sache nicht gerade.
    Mellas und Hamilton ließen Fisher bei den Schützenlöchern der Zweiten Gruppe zurück und stiegen langsam einen Hang hinauf, der so steil war, dass Mellas, als er im Schlamm nach hinten ausrutschte, kaum das Knie beugen musste, um seinen Körper abzufangen. Hamilton, unter dem Gewicht des Funkgeräts zusammengekrümmt, stieß immer wieder mit dessen Antenne in den Hang vor ihm. Der Nebel, der sie umwallte, verschleierte ihr Ziel: einen behelfsmäßigen Unterstand mit durchhängendem Dach, bestehend aus ihren zusammengeknöpften Zelttuch-Ponchos, die sie über ein Stück Kabel gelegt hatten, das in etwa ein Meter zwanzig Höhe zwischen zwei verdorrten Gebüschen gespannt war. Dieser Unterschlupf bildete zusammen mit zwei anderen, die nur wenige Meter entfernt standen, den nicht ohne Ironie sogenannten Befehlsstand des Zuges.
    Mellas wollte sich nur noch dort verkriechen und die Welt um sich herum
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