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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn
Autoren: K Marlantes
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Maschinengewehre der Kompanie, und der Zugführer wohnte beim Befehlsstand. Somit hatte er ständigen Kontakt zum Kompaniechef – im Gegensatz zu den Führern der Schützenzüge, die in ihren jeweiligen Stellungen stärker abgesondert waren. Mittlerweile aber gab es nicht einmal mehr für die Schützenzüge genügend Lieutenants; und da meist nur ein Zug oder noch kleinere Einheiten in Kampfhandlungen verwickelt wurde, waren die Maschinengewehre – eines pro Gruppe – auf Dauer an die Schützenzüge ausgegeben worden, womit nur die Granatwerfer blieben, um die sich ein Zugführer kümmern konnte. Aber Mellas entsprach nicht dem Klischee eines ehrgeizigen Offiziers. Zunächst einmal sah er keinen Deut älter aus als die Jungs, die er zu befehligen hatte. Außerdem machte er nicht den Eindruck eines sonderlich zielstrebigen, windschnittigen Menschen, der das kultivierte, was ein ehrgeiziger Offizier Befehlspräsenz nennen würde. Andererseits passte es vielleicht genau zur Haltung privilegierter Elite-College-Schnösel, dieses Image – »Mir ist alles scheißegal« – zu vermeiden, so wie sie mit Klebeband geflickte Mokassins und Jeans mit Löchern trugen und doch die ganze Zeit wussten, dass sie schnurstracks auf die Wall Street oder Washington und dreiteilige Anzüge zusteuerten. Außerdem sah er dermaßen gut aus, dass er, wie Hawkes irischer Onkel Art gesagt hätte, sämtliche Anzeichen von Gottes höchstpersönlicher Handarbeit trug – im Zivilleben ein Plus, beim Marine Corps jedoch fast schon ein Handicap. Und er bildete einen deutlichen Kontrast zu dem anderen neuen Second Lieutenant, Goodwin, der sehr viel leichter einzuschätzen war. Goodwin hatte in der Basic School durchschnittliche Leistungen gezeigt, aber Hawke wusste, dass er einen geborenen Jäger bekommen hatte. Zu dieser Beurteilung war er in den ersten zehn Sekunden gekommen, die er die beiden neuen Lieutenants gesehen hatte. Der Hubschrauber, der sie auf den Berg geflogen hatte, hatte während des Landeanflugs unter Maschinengewehrfeuer gelegen. Beide Lieutenants waren hinten herausgesprintet und sofort in Deckung gegangen, aber Goodwin hatte sofort den Kopf hochgereckt, um festzustellen, woher das NVA -Maschinengewehr feuerte. Hawkes Problem mit Goodwin bestand jedoch darin, dass gute Instinkte im modernen Krieg zwar notwendig, aber nicht ausreichend waren. Der Krieg war zu technisch und zu komplex geworden – und speziell dieser auch noch zu politisch.
    Auf Doc Fredricksons Anweisung hatte Fisher sich mit heruntergelassener Hose im Morast vor seinem Unterschlupf auf den Rücken gelegt. Die Marines der Zweiten Gruppe, die gerade keinen Wachdienst hatten, standen im Halbkreis hinter Fredrickson. Fisher versuchte, die Sache ins Scherzhafte zu ziehen, aber sein Grinsen war ziemlich verkniffen. Doc Fredrickson wandte sich an Jacobs, Fishers ranghöchsten Truppführer. »Geh zu Hamilton und sag ihm, er soll den Senior Squid anfunken. Er soll ihm sagen, wir brauchen wahrscheinlich eine medizinische Notfallevakuierung.«
    »N-No-Notfall«, wiederholte Jacobs, dessen Stottern ausgeprägter war als sonst. Er setzte sich sofort bergauf in Bewegung. Die Augen in seinem schmalen Gesicht ernst und eindringlich, wandte sich Fredrickson an Mellas. »Fisher hat einen Blutegel im Penis. Er ist ihm während des Spähtruppunternehmens in die Harnröhre gekrochen, und ich glaube nicht, dass ich ihn rauskriege.«
    Fisher lag mit im Nacken verschränkten Händen da. Wie die meisten Marines trug er, um sich gegen Fäule im Genitalbereich zu schützen, keine Unterwäsche. Inzwischen war es schon mehrere Stunden her, dass er gepinkelt hatte.
    Mellas Blick hob sich zu dem wirbelnden Nebel und senkte sich dann auf Fishers feuchtes, grinsendes Gesicht. Er stieß ein gezwungenes Lachen aus. »Sieht Ihnen ähnlich, an einen perversen Blutegel zu geraten«, sagte er. Er sah auf die Uhr. Noch knapp zwei Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit. Eine medizinische Evakuierung aus dieser Höhe wäre bei Nacht und bei diesem Wetter unmöglich.
    »Ziehen Sie ruhig Ihre Hose wieder hoch, Fisher«, sagte Fredrickson. »Trinken Sie nichts. Ist keine schöne Stelle für eine Amputation.«
    Schwer atmend kam Jacobs den Hang heruntergeschlittert. Er wurde knapp außerhalb des Kreises, den Fischers neugierige Freunde bildeten, von Bass aufgehalten. »H-ha-hab’s weitergegeben, Sergeant Bass.«
    »Okay«, sagte Bass. »Sieh zu, dass Fisher seinen Kram zusammenpackt. Teil seine Munition
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