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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn
Autoren: K Marlantes
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Alpha-Kompanie tags zuvor mit einer NVA -Einheit unbekannter Größe im Tal unterhalb von ihnen geliefert hatte, lag immer noch keine abschließende Beurteilung vor, aber das Gerücht, dass vier Marines gefallen waren, war mittlerweile bestätigt.
    Mellas kniff die Lippen zusammen und presste die Zähne aufeinander, um seine Angst zurückzudrängen. Unwillkürlich schaute er auf die in Wolken gehüllten Bergkuppen, die sich unterhalb von ihnen in Richtung Nordvietnam erstreckten, das nur vier Kilometer entfernt lag. Dort unten waren die vier Gefallenen, vier tote Jungs. Irgendwo in dieser graugrünen Düsternis hatte die Alpha-Kompanie kürzlich in der Scheiße gesteckt. Nun kam bald Bravo an die Reihe.
    Und das hieß, nun kam bald er an die Reihe, etwas, was nur eine theoretische Möglichkeit gewesen war damals, als er sich gleich nach der Highschool bei den Marines verpflichtet hatte. Er hatte an einem speziellen Programm für Offiziersanwärter teilgenommen, das es ihm erlaubte, das College zu besuchen, während er jeweils im Sommer die Ausbildung absolvierte und dringend benötigten Sold bezog, und er hatte sich ausgemalt, wie er ehrfürchtig lauschenden Zuhörern, und eines Tages vielleicht auch Wählern, erzählte, er sei ein Ex-Marine. Nicht ausgemalt hatte er sich, dass er in einem Krieg mitkämpfen würde, der bei keinem seiner Freunde Zuspruch fand. Als die Marines während seines ersten Studienjahrs in Da Nang landeten, hatte er auf einer Karte nachsehen müssen, wo das lag. Er hatte eigentlich vorgehabt, zum Marine Air Wing zu gehen und Flugverkehrsleiter zu werden, aber jeder Ausbildungsabschnitt, seine Noten im College, seine Noten in der Basic School und der Mangel an Infanterieoffizieren hatten ihn unerbittlich der Position näher gebracht, in der er sich nun befand: die eines echten Offiziers der Marines, der einen echten Zug Marines führte und eine Heidenangst hatte. Ihm kam der Gedanke, dass gerade sein Verlangen, als Heimkehrer aus einem Krieg Eindruck zu machen, vielleicht dazu führen würde, dass er überhaupt nicht nach Hause zurückkehrte.
    Immer wieder hatte er die Angst zurückgedrängt, die in ihm aufstieg, wenn er sich klarmachte, dass er sterben konnte. Doch nun drehten sich seine Gedanken erneut um nichts anderes. Wenn er Hawkes Position als Executive Officer bekommen könnte, würde er das Lager nicht mehr verlassen müssen. Für ihn gäbe es keine Spähtrupps mehr; er wäre mit Organisationskram beschäftigt; und er wäre erster Anwärter auf den Posten des Kompaniechefs. Damit er Hawkes Position bekam, müsste Lieutenant Fitch, der derzeitige Kompaniechef, nach Hause versetzt werden, und Hawke müsste seine Stelle einnehmen. Das war durchaus wahrscheinlich. Hawke war allseits beliebt, und zwar sowohl weiter oben als auch weiter unten in der Befehlskette. Allerdings machte Fitch den Job erst seit Kurzem, und das bedeutete eine längere Wartezeit, es sei denn, Fitch fiel oder wurde verwundet. Sobald Mellas dieser Gedanke durch den Kopf ging, fühlte er sich schrecklich. Er wollte nicht, dass irgendwem etwas Schlimmes zustieß. Er versuchte, mit Denken aufzuhören, aber es gelang ihm nicht. Jetzt fiel ihm ein, dass er warten musste, bis Hawke nach Hause versetzt wurde, sofern diesem nichts zustieß. Der Gedanke bestürzte und beschämte ihn. Ihm wurde klar, dass ein Teil von ihm sich alles wünschen, vielleicht sogar alles tun würde, was darauf hinauslief, dass er vorankam oder seine eigene Haut rettete. Er unterdrückte diese Regung.
    »Wie läuft’s mit dem Stacheldraht?«, fragte Mellas. Eigentlich war ihm die Aufgabe, vor den Schützenlöchern Stacheldraht zu spannen, herzlich egal, aber er wusste, dass er sich interessiert zeigen musste.
    »Nicht schlecht, Sir«, sagte Bass. »Die Dritte Gruppe hat den ganzen Tag daran gearbeitet. Wir sind fast fertig.«
    Mellas zögerte. Dann nahm er das Problem in Angriff, vor dem er sich am Morgen gedrückt hatte, indem er auf Spähtrupp gegangen war. »Der Junge aus der Dritten Gruppe, ist der noch mal bei Ihnen gewesen, weil er in die Etappe verlegt werden will?«
    »Er heißt Mallory, Sir«, schnaubte Bass. »Der Scheißsimulant, der feige.«
    »Er sagt, er hat Kopfschmerzen.«
    »Und mir tut der Arsch weh. Auf diesem Berg gibt’s zweihundert gute Marines, die in die Etappe wollen, bessere als dieses Stück Scheiße. Kopfschmerzen hat er erst, seit er im Busch ist. Und kommen Sie mir bloß nicht mit dem Scheiß von wegen ›Vorsicht, er
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