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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring
Autoren: Theodor Fontane
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der, weil Osterferien waren, gerade in seinem Kreise sein konnte, viel Adel aus der Nähe und die ganze Bürgerschaft einschließlich der dritten Konfession. Auch der Provisor, der sich zufällig einen neuen Frühjahrsüberzieher hatte machen lassen, wollte nicht fehlen. Alle Bläser bliesen, der alte Graf unterhielt sich ziemlich laut, und was Woldenstein an Blumen hatte, wurde auf das Grab gelegt. Der Geistliche geleitete Thilden in ihre Wohnung, und während der alte Graf im »Herzog Kasimir« eine Flasche herben Ungar ausstach, saß Thilde auf dem Trittbrett und sah auf den immer dunkler werdenden Marktplatz, über den ein Westwind einige braune Winterblätter trieb. Dann wurden ein paar an Ketten hängende Laternen angesteckt, und im Schatten des Rathauses, da, wo die Stiege hinaufführte, stand ein Liebespaar. Sie ließen sich durch den immer heftiger werdenden Wind nicht stören, aber die Laternen bewegten [sich] und quietschten an den Ketten hin und her. Als Thilde wohl eine halbe Stunde lang auf das alles hinausgestarrt hatte, zündete sie die Lampe an und setzte sich an ihren Schreibtisch, um ein paar Zeilen an die Mutter zu schreiben.
     
    »Liebe Mutter. Heute gegen Abend haben wir Hugo begraben. Es war sehr schön und feierlich, alle Welt erschienen, auch der Adel aus der Umgegend. Prediger Lämmel hielt die Rede. Sie wird gedruckt und wird uns dann (denn bis dahin denke ich wieder in Berlin zu sein) von hier aus zugestellt werden. Wie ich Dir gleich bemerken will, kostenfrei, auch der Druck. Denn Du wirst wohl sehr in Angst sein. Ich muß Dich aber ernstlich bitten, mich mit dieser Angst nicht quälen zu wollen. Ich habe von hier aus für Dich gesorgt, und ich werde weiter für Dich sorgen. Du denkst immer an jämmerlich zugrunde gehn, aber solange Deine Thilde lebt, so lange wirst Du zu leben haben. Dessen sei versichert. Ich empfange noch das Gehalt bis Jahresschluß und die Witwenpension vom 1. April an. Dies wird Dir einen Stein von der Brust nehmen, und wenn Du erst weißt (und deshalb habe ich dies alles vorausgeschickt), daß Du nicht ins Spital kommen und nicht wie die alte Runtschen rein machen und einholen wirst, wirst Du vielleicht auch zuhören, wenn ich Dir sage, daß Hugo gut gestorben ist, ganz wie ein feiner Mensch, der er immer war. Denn er war aus einem sehr guten Hause, was immer die Hauptsache bleibt. Er hat mir auch noch gedankt, als ob ich wunder was wäre.
    Das macht, er hatte so was Edles. Und Dich hat er grüßen lassen. Daß er bloß schwächlich war, dafür konnte er nich. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wär er stärker gewesen. Alle Leute hier haben ihn sehr geachtet, weil alle sahen, daß er sehr gut war, und selbst Silberstein, von dem ich Dir schon geschrieben, hat an seinem Grabe gesprochen. So daß selbst Pastor Lämmel zufrieden war und ihm die Hand gab. Silberstein. Firma Silberstein und Isenthal, wird auch alles besorgen, es sind sehr reelle Leute, fortschrittlich, aber sehr reell. Und was aus dem Mobiliar herauskommt, das werden wir kriegen auf Heller und Pfennig. Ich habe noch ein paar Tage hier zu tun und Briefe zu schreiben, auch an den alten Grafen, der mir eine Stellung als Hausdame in seinem Hause angeboten hat (natürlich mit Gehalt), aber all das wird in drei oder vier Tagen beendet sein, und spätestens sonnabend früh gedenke ich in Berlin einzutreffen. Ich schreibe aber noch eine Karte vorher, damit Du ganz sicher bist und die Runtschen zu rechter Zeit bestellen kannst. Ich bringe Dir auch ein Andenken von ihm mit, ein kleines Kreuz, vorn mit einer Perle. Die Perle hat einigen Wert. Ich freue mich, Dich wiederzusehn, so schmerzlich auch die Veranlassung ist, denn die Pension reicht nicht an das Gehalt. Ich muß Dir das sagen. Mir ist es gleichgiltig. Ich bringe mich schon durch und Dich mit.
    Deine treue Tochter Thilde«
     
Sechzehntes Kapitel
     
    Sonnabend früh mit dem Acht-Uhr-Zuge kam Thilde auf dem Friedrichsstraßenbahnhof an. Den kleinen Handkoffer, den sie mit sich führte, gab sie einem Gepäckträger zugleich mit ihrem Gepäckschein und wies ihn an, ihr alles in ihre Wohnung zu schaffen, drüben zu Schultzes, drei Treppen. »Ja, Fräulein.« Er verbesserte sich aber rasch, denn er kannte sie von alter Nachbarschaft her ganz gut, und versprach, in einer halben Stunde dazusein. Als sie ging sah er ihr einen Augenblick nach. »Was doch nich das liebe Geld alles tut; hat sich schmählich rausgemausert. Or'ntlich ein bißchen forsch und einen
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