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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring
Autoren: Theodor Fontane
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Ende haben.« Und so hatte sie sich »drüben« eingerichtet, und als die Alte sah, daß Thilde viel schrieb und sich unter Büchern und Karten vergrub und, wenn sie zu Tisch kam (die Runtschen mußte das Essen holen), oft rote Backen vom Lernen hatte, konnte sie sich [denken], was Thilde vorhatte.
    Sie konnte sich's denken und war auch nicht eigentlich dagegen. Aber wenn die Alte auch nicht eigentlich dagegen war und sich recht gut entsann, daß der Seminardirektor schon damals, eh Möhring starb, immer von ihren schönen Gaben gesprochen hatte, so ging sie doch davon aus, daß »Lehrerin« nicht recht was sei, ja daß jedes andre Unterkommen, auch wenn von etwas fraglicher Beschaffenheit, immer noch vorzuziehen sei. Bei Tage wagte sie mit solchen Betrachtungen nicht recht hervorzutreten, aber wenn sie zu Bett gegangen waren und schon eine Weile ganz ruhig gelegen hatten, erhob sich die Alte von ihrem Kissen und sagte, während von der Straße her durch die nach vorn hin offenstehende Tür ein schwacher Lichtschimmer sie traf: »Thilde, schläfst du schon?«
    »Nein, Mutter. Aber beinah. Willst du noch was?«
    »Nein, Thilde, wollen will ich nichts. Mir is bloß so furchtbar angst wegen deiner Lernerei. Du siehst so spack aus und hast solchen Glanz. Er hat ja doch die Schwindsucht gehabt. Und am Ende...«
    »Nu?«
    »Am Ende wär es doch möglich. Und wenn es so is, is doch frische Luft immer das beste...«
    »Gewiß, frische Luft is immer gut. Aber wo soll ich sie hernehmen? Hier is sie nich gut, und wenn es nich wegen deines Rheumatismus wäre...«
    »Nein, Thilde, so das Fenster offen, das geht nicht. Aber du könntest doch die frische Luft haben.«
    »Ich? woher denn?«
    »Ja, Thilde, du hast mir doch gleich in deinem ersten Brief geschrieben, ich meine in deinem ersten, als er tot war, da hast du mir geschrieben von wegen ›Hausdame‹ mit Gehalt. Und wenig kann es doch nich gewesen sein, weil er ja so reich is, wie du mir geschrieben hast. Und alt is er auch. Ja, da hättest du die schöne frische Luft gehabt und die gute Verpflegung, ich will nichts sagen, aber was wir heute hatten, hatte doch keine Kraft nich, und alt is er, und wenn du ihn ordentlich gepflegt hättest, und das hättest du gewiß, denn du hast ja Mitleid mit jedem und mit mir auch, denn du bist gut, Thilde, ja, Thilde, dann hätten wir vielleicht was. Einer, der so reich is, kann doch nich so mir nichts, dir nichts sterben, ohne was zu hinterlassen. Und vielleicht daß er noch ganz zuletzt... War er denn katholsch?«
    »Natürlich war er katholsch.«
    »Na, denn ging es nicht.«
    »Ach, deshalb wär es schon gegangen. Katholsch is nich schlimm. Aber was denkst du denn eigentlich? Ich will von Woldenstein nicht reden. Aber hier? Was würden hier die Leute gesagt haben. ›Die hat es eilig.‹ Und die Petermann, der alte Giftzahn, die hätte gesagt: ›Es wird wohl eine schöne Geschichte gewesen sein.‹«
    »Ach, Thilde, dessentwegen muß man sein Glück nich fortstoßen.
    Die Leute sagen immer so was. Aber wenn man was hat, dann is es gleich. Und bloß wenn man nichts hat...«
    »Ja, Mutter. Nu wollen wir aber schlafen.«
     
    Der Wunsch der Alten ging ganz entschieden dahin, daß sich Thilde wieder verheiraten sollte. Hugo war ein sehr hübscher Mann gewesen und aus einem sehr guten Hause. Und wenn sie damals, wo sie bloß ein armes Mädchen war, den Hugo gekriegt hatte, so konnte sie jetzt jeden heiraten, denn sie hatte ja nun einen Titel, und wenn sie mitunter ausging und war eine junge Witwe, und die Trauer stand ihr gut, und wenn sie zum Schulrat ging mit dem geteilten langen Schleier, sahen ihr die Leute nach. Und die Alte war nur unglücklich, daß sie gesagt hatte, »die Haubenschnebbe, das is zuviel. So furchtbar trauern darf ich nicht, das is anstößig.«
    Ja, wieder heiraten sollte Thilde. Als die Alte aber merkte, daß Thilde dies ganz entschieden ablehnte und wirklich nur Lehrerin werden wollte, kam sie auf einen andren Plan, der geraume Zeit nach jener Unterhaltung über den alten Grafen und das mutmaßlich verscherzte Glück, auch wieder nächtlicherweile, geführt wurde. Diesmal nicht in dem sauerstoffarmen Alkoven, sondern noch in der Vorderstube, die Alte steif aufrecht auf dem Sofa, Thilde zurückgelehnt auf der Chaiselongue.
    »Na, Thilde, du warst ja heute wieder da. Wann glaubst du denn, daß es soweit is?«
    »Du meinst mit dem Examen und mit der Stelle. Und meinst, wann ich das erste Gehalt kriege?«
    »Ja, Kind,
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