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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring
Autoren: Theodor Fontane
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das mein ich. Du willst immer davon nich hören. Aber es is doch was Sichres.«
    »Ach, sicher is das andre auch.«
    »Meinst du? Na, ich will es dir wünschen. Aber wenn es auch noch so sicher ist, das mit der Schule, das is doch nu die Hauptsache. Das hast du selber immer gesagt. Und da hab ich dich nu schon lange fragen wollen, ob du nich das mit der Witwe fallenlassen und deinen Mädchennamen wieder aufnehmen willst. Es werden ja so viele mit andre Namen getauft, und bei dir is es nich mal so, da kommt das Alte bloß wieder obenauf.«
    Thilde schüttelte den Kopf, ersichtlich in einiger Verstimmung. Aber die Alte, die sich, solange sie den Wiederverheiratungsplan hatte, von »Witwe« viel versprochen hatte, wollte bei veränderter Sachlage mit ihrem neuen Plane nicht nachlassen und fuhr fort: »Ich denke mir, Thilde, du mußt es nu lieber so nehmen, als ob es... ja, wie heißt es doch, wenn was ganz kurze Zeit dauert und dann wieder vorbei ist...«
    »Ich weiß schon, was du meinst...«
    »Also so nehmen, Thilde, wie wenn es gar nicht gewesen wäre. Daß dir als Witwe was zugute getan wird, kann ich mir nich denken, und Fräulein is doch das Gewöhnliche...«
    Thilde richtete sich auf, nahm ein noch von Woldenstein mitgebrachtes Luftkissen in den Rücken und sagte: »Ja, Mutter, was denkst du dir eigentlich dabei. Das is doch wie eine Defraudation, wie eine Unterschlagung, wie Lug und Trug.«
    »Gott, Kind, rede doch nicht so was.«
    »Ja, Mutter, das ist Ableugnung des Tatsächlichen und straffällig.«
    »Gott, Gott.«
    »Ich habe dir wohl öfters gesagt, wenn du so beständig anpurrtest und alles wissen wolltest, was auch nicht richtig war und immer nur davon kam, daß du gegen den armen Hugo was hattest – nun, da hab ich dir wohl mal gesagt, daß es nicht so was Besondres gewesen sei, was ich vielleicht nicht hätte sagen [sollen], denn alles, was man so sagt, wird doch bloß mißverstanden. Und nun bist du geradeso wie die andern Menschen. Aber es is alles falsch, was du da denkst, und ich muß dir sagen, ich glaube beinah, daß er lieber nicht hätte heiraten sollen. Er sah so stark aus mit seinem Vollbart, aber er war nur schwach auf der Brust, und ich bin ganz sicher, es hat ihm geschadet. Und nun soll es gar nichts gewesen sein. I, das wäre ja doch schändlich und undankbar, wenn ich ihm so was in seinem Grabe nachsagen wollte. Fräulein Möhring! Was denkst du dir nur? Ich bin kein Fräulein und habe meinen Stolz als Frau und Witwe, wenn ich auch kein Pfand seiner Liebe unterm Herzen trage.«
    »Gott, Thilde, sage doch nich so was.«
    »Ja, so sagt man, Mutter; das ist gerade das richtige Wort. Und es ist bloß ein Zufall, daß es so ist, wie es ist...«
    »Meinst du?«
    »Freilich meine ich. Und mitunter denke ich, es wäre doch hübsch und auch besonders für dich, wenn du ihn einbuschen könntest. Freilich, Rechnungsrats schlafen grade unter uns, und die würden wohl raufschicken und sagen, wir sollten nicht so viel hin und her wiegen, denn die denken, drei Treppen hoch ist so gut wie gar nichts.«
    »So is es, Thilde. Arme Leute...«
    »... müssen sich alles versagen.«
    »... Un sollen nich mal buschen. Ach, die Menschheit is zu schlecht, und ich erleb es auch nich mehr.«
     
    Das war kurz vor dem Examen, das Thilde glänzend bestand, viel glänzender als Hugo damals das seine. Noch an demselben Tage sagte man ihr, daß eine Stelle für sie frei sei: man freue sich, ihr dieselbe geben zu können. Am 1. Oktober trat sie ein, Berlin N, zwischen Moabit und Tegel. Sie ging mutig ans Werk, hatte frischere Farben als früher und war gekleidet wie an dem Tage, wo sie von Woldenstein wieder in Berlin eintraf. Nur ohne Krimstecher. Das seitens der Schuldeputation in sie gesetzte Vertraun hat sie gerechtfertigt.
    Hinaus fährt sie jeden Morgen mit der Pferdebahn, den Weg zurück macht sie zu Fuß und kauft immer was ein für die Mutter, einen Kranzkuchen oder einen Geraniumtopf oder eine Tüte mit Prünellen. Oft auch am Oranienburger Tor eine Hasenleber, weil sie weiß, daß Hasenleber das Lieblingsgericht der Alten [ist]. Und die Alte sagt dann: »Gott, Thilde, wenn ich dich nicht hätte.«
    »Laß doch, Mutter, wir haben es ja.«
    »Ja, Thilde, es is schon wahr. Aber wenn es man bleibt.«
    »Es wird schon.«
    Von Hugo Großmann wird selten gesprochen, seine Photographie hängt aber mit einer schwarzen Schleife über der Chaiselongue, und zweimal im Jahre kriegt er nach Woldenstein hin einen Kranz.
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