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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf
Autoren: Jules Verne
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machen zu können, aus der sich der östliche Stadttheil zusammensetzt.
    Angelangt an dem Zusammenflusse der zwei größten Adern der Stadt, der Corsia Stadion, die zum öffentlichen Garten führt, und dem Acquedotto, einer schönen Baumallee, durch die man zu der großen Bierwirthschaft des Boschetto gelangt, waren unsere Abenteurer einen Augenblick im Zweifel, welche Richtung sie einschlagen sollten. Mußte man sich nach links oder rechts wenden? Instinctiv schlugen sie die Richtung nach rechts ein, mit der Absicht, die Häuser der Allee nach einander in Augenschein zu nehmen, deren Baumgipfel, wie sie bemerkt hatten, die Wetterfahne überragte.
    Sie gingen also den Acquedotto entlang und beobachteten dabei genau die verschiedenen Häuser und Giebel, ohne indessen finden zu können, was sie suchten. So gelangten sie bis an das Ende der Allee.
    »Da ist sie!« rief endlich Zirone.
    Und er zeigte auf eine Wetterfahne, welche der Seewind um ihren eisernen Ständer drehte; unterhalb derselben war ein Dachfenster zu sehen, durch das einige Tauben ein und ausschlüpften.
    Da war also kein Irrthum möglich. Dort war es gewesen, wo sich die Brieftaube niedergelassen hatte.
    Das bescheiden aussehende Haus verlor sich hinter dem Baumschmucke des Acquedotto, der den Anziehungspunkt desselben bildet.
    Sarcany zog in den benachbarten Läden einige Erkundigungen ein und hatte bald erfahren, was er wissen wollte.
    Das Haus gehörte und wurde schon seit einer Reihe von Jahren bewohnt vom Grafen Ladislaus Zathmar.
    »Wer ist der Graf Zathmar? fragte Zirone, dem dieser Name nichts bedeutete.
    – Es ist eben der Graf Zathmar, erwiderte Sarcany.
    – Wir könnten vielleicht fragen…
    – Später, Zirone, nur nichts überstürzen. Nachdenken, Ruhe bewahren und jetzt in unsere Herberge.
    – Ja… jetzt ist ja auch die Stunde gekommen, wo Diejenigen, welche das Recht dazu haben, sich zum Mittagessen hinsetzen, bemerkte Zirone mit Ironie.
     

    Sarcany und Zirone ließen sie nicht aus den Augen. (S. 22.)
     
    – Wenn wir auch heute nicht zu Mittag essen, antwortete Sarcany, so werden wir vielleicht morgen diniren
    – Bei wem?
    – Wer weiß, Zirone? Vielleicht beim Grafen Zathmar.«
    Sie schlenderten langsam dahin – wozu auch eilen? – und hatten bald ihr bescheidenes Hotel erreicht, das trotzdem noch zu kostbar für sie war, denn sie konnten ja nicht einmal ihr Nachtquartier bezahlen.
     

    Triest. – Der Große Canal.
     
    Welche Ueberraschung wurde ihnen dort zu Theil! Ein Brief für Sarcany war soeben angekommen.
    Derselbe enthielt einige Bankbillets im Betrage von zweihundert Gulden und folgende Worte:
     
    »Anbei das letzte Geld, welches Sie von mir erhalten. Es dürfte für Ihre Rückkehr nach Sicilien ausreichen. Reisen Sie ab, damit ich nichts mehr von Ihnen höre.
     
    Silas Toronthal.«
     
    »Es lebe der gute Gott! jubelte Zirone, der Herr Banquier kommt uns sehr gelegen. Man sollte ganz entschieden an diesen Herren von der Börse nie verzweifeln.
    – Das meine ich auch, sagte Sarcany.
    – Dieses Geld wird also dazu dienen, Triest zu verlassen? – Nein, hierzubleiben!«
Zweites Capitel.
Graf Mathias Sandorf.
    Die Ungarn oder Magyaren kamen gegen das neunte Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung ins Land. Sie bilden noch den dritten Theil der ganzen Bevölkerung Ungarns – mehr als fünf Millionen Seelen. Ob sie nun spanischen Ursprunges sind, ägyptischen oder barbarischen, ob sie von den Hunnen Attilas stammen oder von den nordischen Finnen – die Meinungen stehen sich schroff gegenüber – es thut wenig zur Sache. Zu beachten ist nur, daß die Ungarn keine Slaven sind, aber auch keine Deutschen.
    Sie haben auch ihre Religion zu erhalten gewußt und sich seit dem elften Jahrhunderte als eifrige Katholiken gezeigt – damals empfingen sie den neuen Glauben. Sie sprechen auch noch ihre alte Sprache, die sanfte, harmoniereiche Muttersprache, die jeden Gegenstand mit den Reizen der Poesie schmückt; sie ist nicht so reich als die deutsche, aber geschlossener, energischer, eine Sprache, die vom vierzehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert das Latein in den Gesetzen und Verordnungen verdrängte und eine Zukunft als Sprache des Volkes vor sich sah.
    Am 21. Jänner 1699 kam Ungarn und Siebenbürgen durch den Vertrag von Carlowitz an Oesterreich.
    Zwanzig Jahre später erklärte die pragmatische Sanction feierlich, daß die Staaten Oesterreich-Ungarn unzertrennlich seien. In Ermangelung eines Sohnes sollte die Krone
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